In Erinnerung an Sue Othmer
Als Neurofeedback vor mehr als vierzig Jahren entdeckt wurde, ließ sich das Potenzial dieser Therapie zwar erahnen, doch es stellten sich zugleich von Beginn an unzählige Fragen: Was passiert da genau im Gehirn? Wie lassen sich die Effekte erklären? Wie lassen sich vor allem wirksame Ansätze für die Praxis entwickeln, und wie misst man die Effekte? Herausforderungen, die bis heute bestehen.
Sue hat sich genau diesen Fragen gewidmet und dabei einen kompromisslosen Fokus gesetzt: für sie standen die Symptome des Patienten an erster Stelle sowie das Beobachten deren Veränderungen durch Neurofeedback. Ihre unermüdlichen, genauen und systematischen Beobachtungen der Effekte in hunderttausenden von Neurofeedback-Sitzungen ermöglichten die kontinuierliche Weiterentwicklung stets auf Basis bis dato bekannter Verfahren. Sie setzte dabei neue und unerreichte Maßstäbe. Die Essenz wissenschaftlicher Arbeit und der Geist der Definition evidenzbasierter Medizin standen im Mittelpunkt. Geleitet vom höchsten Respekt vor dem Leiden des Patienten wirkte sie mit ansteckender Neugier. Das Othmer Verfahren wird noch für lange Zeit die Referenz sein, an der sich neue Verfahren werden messen lassen müssen.
Sue’s naturwissenschaftliche Ausbildung und die Liebe zur Natur spiegeln sich in ihrer Art und ihrer Arbeit wider. Wie kaum jemand anderem gelang es ihr die Komplexität des Gehirns und die Prinzipien der Selbstregulation, auf der das ganze klinische Modell der Methode beruht, auf einfache, klare, präzise und sehr verständliche Weise darzustellen und zu unterrichten. Ihr lag es am Herzen, dass die Therapeutinnen und Therapeuten den Neurofeedback Prozess wirklich verstehen, um in der Therapie auf die Anforderungen eines jeden Gehirns individuell einzugehen.
So hat Sue zudem über Jahrzehnte mit größter Leidenschaft Ihr Wissen weitergegeben und tausende von Therapeutinnen und Therapeuten ausgebildet. Heute ist ihre Lehre Grundlage für ein großes Netzwerk von Ausbildungsinstitutionen in 19 Ländern und 15 Sprachen. Und auch in diesem Punkt war Sue kompromisslos: den Eingang in die Lehre und das Placet bekamen Verfahren erst dann, wenn diese so anwenderfreundlich waren, dass diese in der täglichen klinischen Praxis zum Einsatz kommen konnten.
Durch ihr gesamtes Schaffen hat sie nicht zuletzt unzähligen Menschen mit langen Leidenswegen ermöglicht, ein lebenswertes und selbstbestimmtes Leben zu führen. Tagtäglich profitieren heute zig tausende Patientinnen und Patienten rund um den Globus von einer effektiven Therapie, die sie möglich gemacht hat.
Wir hatten die Ehre, mehr als 15 Jahre mit dieser herausragenden Persönlichkeit in Forschung und Entwicklung zusammenzuarbeiten. Wir denken mit größtem Respekt und Anerkennung an Sue, die uns als außergewöhnliche Klinikerin und inspirierende Lehrerin & Mentorin für immer in Erinnerung bleiben wird.
Wir betrauern ihren Tod. Die Welt ist um eine unglaubliche Person ärmer geworden.