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Neurofeedback als Therapiebaustein bei Autismus Spektrum Störungen (ASS)

11. Juni 2022
Was ist ASS?

Unter Autismus-Spektrum-Störung (ASS) wird eine tiefgreifende Entwicklungsstörung mit Beginn im (Klein-) Kindesalter verstanden. Diagnosekriterien bilden Defizite der sozialen Kommunikation und Interaktion, eingeschränkte repetitive Verhaltensmuster wie unflexibles Festhalten an Routinen und Hyper-/ oder Hypoaktivität auf sensorische Reize. Häufig sind unter anderem Funktionen von Sprache, visuell räumliche Fertigkeiten und Bewegungskoordination von Entwicklungseinschränkungen oder -verzögerungen betroffen. Der Begriff der Spektrum-Störung zeigt an, dass verschiedene Formen autistischer Erkrankungen unterschieden werden können, bekannt sind vor allem frühkindlicher Autismus, atypischer Autismus und das Asperger-Syndrom. 


Die Angabe einer Prävalenz für ASS ist nicht trivial, da es weder einheitliches Vorgehen noch Kriterien gibt, außerdem nicht für alle Regionen weltweit Zahlen vorliegen. Möglicherweise kann eine Prävalenz von ca. 1.5% für ASS in Industrienationen geschätzt werden (siehe 1). Das klinische Erscheinungsbild einer ASS verändert sich dabei über die Lebensspanne vom Kleinkind- bis zum Erwachsenenalter erheblich, sowohl in Kernsymptomen als auch möglichen Kompensationsstrategien. 

 

Neurofeedback als Therapiebaustein bei ASS

 

Neurofeedback kann bei Betroffenen des Autismus Spektrum als ein Baustein der Therapie zum Einsatz kommen. Aus zahlreichen Forschungen zur Neurophysiologie bei Autismus Spektrum Störungen ist unter anderem kürzlich hervorgegangen, dass Autisten andere Konnektivitäts-Netzwerke und spezifische Regionen von Hyper- und Hypokonnektivität aufweisen als gesunde Probanden der Vergleichsgruppe (siehe 2). Andere Theorien, wie die zur veränderten Aktivität der Spiegelneurone, oder Hypothesen zur Theorie of Mind und die Polyvagal-Theorie, unterstreichen ebenfalls neurologische Unterschiede.
Bei Neurofeedback wird der Ansatz verfolgt, fehlregulierte Hirnaktivität zu verändern. Aus Studien ist bekannt, dass die Muster des Ruhe-EEGs sowie evozierte Potentiale bei Patient*innen aus dem Spektrum von denen gesunder Menschen abweichen. Dass Neurofeedback einen Effekt auf das Gehirn hat, ist in einer kürzlich veröffentlichten Studie bestätigt worden. Die funktionale Konnektivität (Kommunikation zwischen den Neuronen) im Gehirn von Proband*innen wurde mit fMRT vor und nach einer 30-minütigen Neurofeedback Sitzung untersucht. Im Anschluss an die Neurofeedback Sitzung fand sich eine erhöhte Konnektivität von Nervenzellen im Gehirn (siehe 3). Aus diesen Ergebnissen lässt sich unter anderem ableiten, dass Neurofeedback sich nicht nur positiv auf die Symptome von Erkrankungen auswirkt, sondern auch Effekte im Gehirn hervorrufen kann und somit womöglich nachhaltig Konnektivitätsmuster wie sie zum Beispiel bei chronischen Schmerzen auftreten, verändern kann. Diese Ergebnisse stützen die Hypothese von Neurofeedback als Methode der Verbesserung der Selbstregulationsfähigkeit im Gehirn.

  

Stand der Forschung: Neurofeedback bei ASS


Aufgrund der funktionellen neuroanatomischen Auffälligkeiten kann Neurofeedback eine wirksame Behandlungsmethode zur Reduktion der Symptome der Fehlregulieren darstellen (siehe 4). 
In einer kontrollierten Studie verbesserten ASS-Patient*innen mit einer Neurofeedback Behandlung ihre Symptome nach 20 Sitzungen deutlich; es fand sich auch eine Reduktion zerebraler Hyperkonnektivität, welche die eingangs genannten Wirkhypothesen stärkt (siehe 5).
Es zeigt sich auch, dass Neurofeedback in Kombination mit anderen Behandlungsmethoden eine Möglichkeit darstellt, um die Leistungsfähigkeit der Patienten zu verbessern (siehe 6). 
Vorhergehende Arbeiten (siehe 7) und ein aktuelles Review der existierenden Literatur kommt zu dem Schluss, Neurofeedback sei eine vielversprechende Behandlungsmethode für Autismus und führt die Auswertung zahlreicher Studien und Fallberichte an (siehe 8). Es wird jedoch auch darauf hingewiesen, dass weitere, insbesondere kontrollierte und randomisierte Untersuchungen durchgeführt werden sollten, um weitere Details der Behandlungskonditionen zu evaluieren.


Literatur
1. Fombonne, E. (2018). The rising prevalence of ASS. Journal of Child Psychology and Psychiatry, 59, 717-720.
2. Holiga, s. et al. (2019). Patients with autism spectrum disorders display reproducible functional connectivity alterations. Science Translational Medicine, 11, eaat9223.
3. Dobrushina, O. R. et al. (2020). Modulation of Intrinsic Brain Connectivity by Implicit Electroencephalographic Neurofeedback. Front. Hum. Neurosci. 14, 1–13.
4. Thompson, L., Thompson, M. & Reid, A. (2010). Functional neuroanatomy and the rationale for using EEG biofeedback for clients with Asperger’s syndrome. Appl. Psychophysiol. Biofeedback, 35, 39–61.
5. Coben, R. & Padolsky, I. (2008). Assessment-Guided Neurofeedback for Autistic Spectrum Disorder. J. Neurother. 11, 37–41.
6. Knezevic, B., Thompson, L. & Thompson, M. (2010). Pilot Project to Ascertain the Utility of Tower of London Test to Assess Outcomes of Neurofeedback in Clients with Asperger’s Syndrome. J. Neurother. Investig.Neuromodulation, 14, 3–19.
7. Coben, R., Linden, M., & Myers, T. E. (2010). Neurofeedback for autistic spectrum disorder: a review of the literature. Applied psychophysiology and biofeedback, 35, 83.
8. Van Hoogdalem, L. E. et al. (2020). The Effectiveness of Neurofeedback Therapy as an Alternative Treatment for Autism Spectrum Disorders in Children: A Systematic Review. Journal of Psychophysiology.