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Die Rolle von Neurofeedback in der Behandlung von Menopause

12. Mai 2025

Die Menopause rückt zunehmend in den Fokus der Gesellschaft. Im Durchschnittsalter von etwa 50 Jahren erleben die meisten Frauen erste Symptome der Menopause. Diese können je nach kulturellem, familiärem und sozialem Hintergrund variieren, ebenso wie in Abhängigkeit vom allgemeinen Gesundheitszustand und Wohlbefinden (Parazzini, 2006; Hu et al., 1999). Laut dem National Institute on Aging dauern die Symptome der Menopause im Durchschnitt zwischen 2 und 8 Jahren an. Die Ausprägung kann stark variieren und hängt sowohl von genetischen als auch von äußeren Faktoren wie Ethnie, Kultur, Lebensstil und Umwelt ab (National Institute on Aging, 2024).

Die Symptome sind vielfältig und umfassen Hitzewallungen, nächtliches Schwitzen, vaginale Trockenheit, Schlafstörungen, Depressionen, Angstzustände, Gedächtnisverlust, Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, Stimmungsschwankungen, Kopfschmerzen, Gelenkschmerzen und Gewichtszunahme (Makara-Studzińśka et al., 2014). Jährlich kommen weltweit etwa 50 Millionen Frauen in die Menopause, was die hohe Verbreitung dieses Zustands verdeutlicht (Massart et al., 2001). Eine gängige Behandlung zur Linderung der Symptome ist die Hormonersatztherapie (Patel & Dhillo, 2021), aber auch Medikamente zur Linderung von Symptomen wie Kopfschmerzen, Schlafstörungen oder Depressionen werden häufig eingesetzt. Diese können jedoch Nebenwirkungen verursachen, weshalb alternative Methoden ohne unerwünschte Wirkungen gefragt sind.

Eine der Hauptursachen für menopausale Symptome ist der Rückgang des Östrogenspiegels im weiblichen Körper. Die Freisetzung von Östrogen wird im Gehirn reguliert, und das Gehirn steht auch in Wechselwirkung mit diesem Hormon. Es wurde gezeigt, dass mehrere Gehirnregionen auf Östrogen reagieren – darunter der Hypothalamus, der Neokortex, aber auch der Hippocampus und der Hirnstamm. Eine Veränderung des Östrogenspiegels beeinflusst somit auch die Gehirnfunktionen (Morrison et al., 2006), was zu zahlreichen neurologisch bedingten Symptomen führt.

Daher erscheint der Einsatz von Neurofeedback, das die Selbstregulationsfähigkeit des Gehirns verbessern kann, als vielversprechender Ansatz. Mehrere Studien haben gezeigt, dass Neurofeedback bei verschiedenen der oben genannten Symptome helfen kann. In einer Veröffentlichung mit drei Fallstudien wurde gezeigt, dass ILF-Neurofeedback (Infra-Low Frequency) zur Linderung von depressiven Symptomen beitragen kann (Grin-Yatsenko et al., 2018). Zudem wurde Virtual-Reality-gestütztes ILF-Neurofeedback erfolgreich zur Behandlung von zentralisiertem Schmerz in Verbindung mit Schlaflosigkeit eingesetzt (Orakpo et al., 2022). Eine multizentrische Studie mit 196 Patientientinnen und Patienten in ambulanter Behandlung führte über etwa 30 Sitzungen pro Teilnehmenden ILF-Neurofeedback durch; kontinuierliche Leistungstests zeigten eine Verbesserung der Aufmerksamkeit (Schneider et al., 2021). Auch bei Angststörungen, die ein breites Spektrum an Symptomen umfassen, wurde Neurofeedback untersucht. Ein Überblick über Angst und Depression hob den positiven Einfluss von Neurofeedback auf diese Erkrankungen hervor (Hammond, 2005). Müdigkeit – häufig bei (post-)onkologischen Patient:innen und zunehmend auch als Bestandteil des Post-Covid-Syndroms anerkannt – war ebenfalls Gegenstand aktueller Forschung. Eine Pilotstudie mit 16 Teilnehmenden ergab, dass Neurofeedback helfen kann, mit Müdigkeit verbundenen Symptomen entgegenzuwirken.

Diese Studien zeigen, dass Neurofeedback eine effektive Therapieoption für verschiedene Erkrankungen sein kann. Da viele dieser Beschwerden – wie Depressionen, Angst, Schlaflosigkeit und Müdigkeit – auch typische Symptome während der Menopause sind, bietet Neurofeedback auch für Frauen in den Wechseljahren eine vielversprechende unterstützende Behandlungsmöglichkeit. Besonders ILF-Neurofeedback erscheint als geeignete Methode, da es symptomorientiert arbeitet.

Interesse an weiteren Einblicken?
Dr. Dawn Harris, Gründerin und CEO der Kedras Clinics, arbeitet seit Jahren erfolgreich mit Neurofeedback. In einem Artikel teilt sie ihre Erfahrungen, wie Neurofeedback auch zur Bewältigung von Menopausen-Symptomen eingesetzt werden kann.

 

 

 

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Quellen:

Grin-Yatsenko, V., Othmer, S., Ponomarev, V., Evdokimov, S., Konoplev, Y., & Kropotov, J. (2018). Infra-Low Frequency Neurofeedback in Depression: Three case studies. NeuroRegulation, 5(1), 30–42. https://doi.org/10.15540/nr.5.1.30

Hammond, D. C. (2005). Neurofeedback treatment of depression and anxiety. Journal of Adult Development, 12(2–3), 131–137. https://doi.org/10.1007/s10804-005-7029-5

Hu, F. B., Grodstein, F., Hennekens, C. H., Colditz, G. A., Johnson, M., Manson, J. E., Rosner, B., & Stampfer, M. J. (1999). Age at natural menopause and risk of cardiovascular disease. Archives of Internal Medicine, 159(10), 1061. https://doi.org/10.1001/archinte.159.10.1061

Makara-Studzińśka, M. T., Kryś-Noszczyk, K. M., & Jakiel, G. (2014). Epidemiology of the symptoms of menopause – an intercontinental review. Menopausal Review, 3, 203–211. https://doi.org/10.5114/pm.2014.43827

Massart, F., Reginster, J. Y., & Brandi, M. L. (2001). Genetics of menopause-associated diseases. Maturitas, 40(2), 103–116. https://doi.org/10.1016/s0378-5122(01)00283-3

Morrison, J. H., Brinton, R. D., Schmidt, P. J., & Gore, A. C. (2006). Estrogen, menopause, and the aging brain: How basic neuroscience can inform hormone therapy in women. Journal of Neuroscience, 26(41), 10332–10348. https://doi.org/10.1523/jneurosci.3369-06.2006

National Institute on Aging (2024).  What is Menopause. https://www.nia.nih.gov/health/menopause/what-menopause#:~:text=Symptoms%20related%20to%20menopause%20can,culture%2C%20lifestyle%2C%20and%20environment.

Orakpo, N., Yuan, C., Olukitibi, O., Burdette, J., & Arrington, K. (2022). Does virtual reality feedback at Infra-Low frequency improve centralized pain with comorbid insomnia while mitigating risks for sedative use disorder?: a case report. Frontiers in Human Neuroscience, 16. https://doi.org/10.3389/fnhum.2022.915376

Parazzini, F. (2006). Determinants of age at menopause in women attending menopause clinics in Italy. Maturitas, 56(3), 280–287. https://doi.org/10.1016/j.maturitas.2006.09.003

Patel, B., & Dhillo, W. S. (2021). Menopause review: Emerging treatments for menopausal symptoms. Best Practice & Research Clinical Obstetrics & Gynaecology, 81, 134–144. https://doi.org/10.1016/j.bpobgyn.2021.10.010

Schneider, H., Riederle, J., & Seuss, S. (2021). Therapeutic Effect of Infra-Low-Frequency Neurofeedback Training on Children and Adolescents with ADHD. In Artificial intelligence. https://doi.org/10.5772/intechopen.97938

 

 

“Neurofeedback: wie eine spielerisch leichte Therapie dem Gehirn hilft Probleme zu lösen” - jetzt auf Englisch verfügbar

03. Dezember 2024

Das erfolgreiche Buch „Neurofeedback: Wie eine spielerisch leichte Therapie dem Gehirn hilft, Probleme zu lösen“ ist nun endlich auch auf Englisch verfügbar! Unter dem Titel „Neurofeedback: A Gentle Therapy to Help the Brain Help Itself“ können nun noch mehr Menschen die spannenden Einblicke von Meike Wiedemann und Kirsten Segler in diese wirkungsvolle Methode entdecken.  
Anschaulich und leicht verständlich erklärt das Buch, wie Neurofeedback funktioniert und das Gehirn dabei unterstützt, sich selbst besser zu regulieren. Ob ADHS, Migräne, Angststörungen oder Depressionen – anhand vieler Fallbeispiele zeigen die Autorinnen, wie Neurofeedback das Leben nachhaltig verbessern kann.

Book

Das Buch eignet sich sowohl für Personen, die Neurofeedback für sich in Erwägung ziehen und genauer wissen wollen, wie es funktioniert, was man sich davon erwarten kann und wo es eingesetzt wird. Gleichermaßen finden auch Fachleute, die in Betracht ziehen, Neurofeedback in Ihre Praxis zu integrieren, wertvolle Einblicke in die Arbeit mit Neurofeedback.

Die englische Ausgabe ist als Taschenbuch und E-Book erhältlich und bietet eine ideale Gelegenheit, sich mit dieser effektiven Behandlungsmethode vertraut zu machen. Jetzt bestellen und die faszinierende Welt des Neurofeedbacks kennenlernen! 


Hier kommt ihr zum Buch!
 

“DIESES GEFÜHL, BEI SICH ZU SEIN, GEERDET ZU SEIN, GELASSEN ZU SEIN, [...] DAS KÖNNEN WIR ALLE GEBRAUCHEN.” ÜBER DIE ANWENDUNG UND DEN EINSATZ VON SYNCHRONIE-TRAINING - EIN INTERVIEW MIT MEIKE WIEDEMANN

12. Juli 2024

Gemeinsam mit Neurobiologin und Neurofeedback-Expertin Meike Wiedemann haben wir ein Interview zum Thema Synchronie-Training geführt. Sie erklärt, was Synchronie-Training eigentlich ist, warum es eine Methode der Selbstfürsorge darstellt und wie es mit Alpha-Theta-Training kombiniert werden kann.

 

BEE Medic: Hallo Meike, vielen Dank, dass du dir Zeit für ein weiteres Interview mit uns genommen hast. Wir möchten heute über Synchronie Training sprechen. Was genau ist denn das Synchronie-Training?

Meike
: Wir arbeiten seit 2014 mit dem Synchronie-Training. Bei dieser Form des Neurofeedbacks werden, genau wie beim Alpha-Theta-Training, synchrone Zustände trainiert. Seit es uns zur Verfügung steht, wenden wir es häufig, aber nicht nur,  zur Vorbereitung für das Alpha-Theta-Training an. Im Rahmen des Synchronie-Trainings haben wir verschiedene Trainings-Möglichkeiten. Es ist möglich, im oberen ILF-Bereich mit 0,05 Hertz ein Synchronie-Training zu machen, wir können mit 10 Hertz oder 40 Hertz ein Synchronie-Training durchführen. Diese Variationen haben alle verschiedene Trainingseffekte und sprechen verschiedene Netzwerke im Gehirn an. Das 0,05 Hz Synchronie Training an der Mittellinie führt zu einer tiefen Beruhigung, Erdung und spricht Netzwerke an, die mit der Regulation des eigenen Selbst zu tun haben und hat daher großen Einfluss auf die Beziehung zu sich selbst und damit auch der Beziehung zu anderen Menschen. Das Alpha-Synchronie-Training (10 Hz)  trainiert man ähnlich wie das Alpha-Theta-Training, in den hinteren Bereichen des Gehirns für mehr Beruhigung und einen entspannten Fokus. Dann haben wir noch das Gamma-Training (40 Hz), mit dem wir in den vorderen Bereichen des Gehirns vor allem die mentale Klarheit und Fokus trainieren können. Der/Die Therapeut:in hat die Option, aus den verschiedenen Trainings jenes auszuwählen, welches auf den/die Patient:in zugeschnitten am effektivsten ist. 

Der Unterschied zum Alpha-Theta-Training besteht darin, dass das Synchronie-Training sitzend und mit geöffneten Augen durchgeführt werden kann, also eher wie ein Achtsamkeitstraining. Wenn aber eine Person die Augen zumachen möchte, dann kann sie natürlich auch gern die Augen schließen. Alle erforderlichen Rückmeldungen sind im Audio-Feedback enthalten. Deshalb ist es eigentlich ein super Übergang, bei Patient:innen die nicht so einfach die Augen schließen wollen. Die Patient: innen sind es gewohnt die Augen geöffnet zu halten, sie reden mit uns und schauen sich die Animationen an. Und dann sollen sie während des Alpha-Theta-Trainings die Augen schließen? Das ist für einige Personen etwas sehr, sehr intimes. Das Synchronie-Training vertieft quasi die notwendige Vertrauensbasis für das Alpha-Theta-Training.

Es kann allerdings auch sein, dass synchrone Zustände, wie das Synchronie- oder Alpha-Theta-Training, nicht von allen Personen vertragen werden. Bei Personen, die größere Instabilitäten haben, was sich im Neurofeedback als anfallsartige Symptome zeigt, wie z.B. Migräne, Epilepsie, Panikattacken oder bipolare Störungen, können  mit Synchronie solche Instabilitäten durch getriggert werden, weswegen man mit solchen Patient: innen vorsichtig sein muss. Das Schöne am Synchronie-Training ist unter anderem die Möglichkeit es für kurze Zeiteinheiten durchzuführen, wodurch die Verträglichkeit des Trainings der Patient:innen  in fünf- oder zehnminütigen Einheiten getestet werden kann. Eventuell auftretende Instabilitäten können im Nachhinein durch das ILF-Wachtraining aufgefangen werden. Wenn die Patient: innen das Synchronie-Training gut vertragen, kann es auf bis zu  20 Minuten verlängert  werden. Für viele reichen 10 Minuten vollkommen aus. 
 

 

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BEE Medic: Muss für das Synchronie-Training auch vorher ILF Neurofeedback gemacht werden? 

Meike
: Das ILF-Training stellt immer die Basis dar, das Synchronie-Training baut darauf auf. Wenn die Personen einen tollen Effekt haben, dann behält man das entsprechenden Synchronie Training natürlich bei und entscheidet danach evlt.  ‘Okay, jetzt möchte ich doch noch tiefer in diese ganze Psychodynamik eingreifen und noch mehr Dinge auch verarbeiten’. Dann kann im Anschluss daran auch noch das Alpha-Theta-Training  durchgeführt werden. Das ist natürlich wie immer sehr individuell. Einige Patient:innen kommen super damit zurecht und haben das Gefühl geerdet und bei sich zu sein, was bei vielen Patient:innen komplett verloren gegangen ist. Wenn wir das mit dem Training erreichen, dann ist das fantastisch und dann muss man auch nicht unbedingt zum Alpha-Theta-Training übergehen. Manche Patient:innen sprechen beispielsweise sehr gut auf das Synchronie-Training an, wohingegen sie beim Alpha-Theta sagen:”War schön entspannt, aber mehr ist nicht passiert” - bei wieder anderen Patient:innen kann es natürlich auch andersrum sein. Der/die Therapeut:in darf dann zusammen mit den Patient:innen austesten, welches Training jeweils am Besten geeignet ist.


BEE Medic: Du hast synchrone Zustände erwähnt. Was versteht man darunter?

Meike
: Synchron bedeutet im Prinzip, dass sich an verschiedenen Orten im Gehirn, also rechts und links oder vorne und hinten, die Erregungsmuster ähneln. Ich will jetzt nicht sagen, dass sie genau die gleichen Erregungsmuster haben, aber wenn wir in einem Trainingsband bspw. Alpha trainieren, dann sind die Amplituden des Feedbacks umso höher, je mehr auf beiden Seiten zur gleichen Zeit das Gleiche gemacht wird - also wirklich gleichzeitig in einem regelmäßigen Muster schwingen. Das heißt, wenn bei einer Abeleitstelle  die Amplitude hochgeht, geht sie an der anderen Stelle auch hoch und wenn sie an der einen Stelle  runter geht, geht sie auch an der anderen Stelle wieder runter. Das kann man sich wie zwei Sinuskurven vorstellen, die genau in Phase sind,  so sagt man auch dazu. Und desynchron würde heißen, sie sind aus der Phase raus oder im Extremfall auch gegenphasig. Mit dem ILF-Wachtraining fördern wir die Gegenphasigkeit, während wir mit dem Synchronie- und dem Alpha-Theta-Training die In-Phase-Aktivität fördern, da in den beiden letztgenannten mehr Ruhe-Rhythmen sind.


BEE Medic: Mit welchen Patient:innen machst Du das Synchronie-Training?

Meike
: Ähnlich wie beim Alpha-Theta-Training kann jede Person davon profitieren, die es verträgt. Dieses Gefühl, bei sich zu sein, geerdet zu sein, gelassen zu sein, sich wohlzufühlen, mit sich selbst im Reinen zu sein und sich im Umgang mit anderen Menschen wohlzufühlen, das können wir alle brauchen. Das 40 Hertz Training beispielsweise, welches mehr präfrontal stattfindet, geht eher in meditative Bereiche. Für manche Personen ist es wirklich eine Methode den Kopf leer zu kriegen, sodass da wirklich gar keine Gedanken sind.
Also ziemlich ähnlich zu dem, was wir auch bei manchen Zuständen von Meditation erleben können. Und wie gesagt, alle Patient:innen, mit denen ich im späteren Verlauf ins Alpha-Theta-Training gehen möchte, würden als Vorbereitung darauf das Synchronie-Training machen. Personen, die das Training nicht vertragen, könnten jene sein, die noch sehr instabil sind. Auch hier braucht man wieder die Vorbereitung mit dem ILF-Training, um zu vermeiden, dass Zustände getriggert werden, die für die Patient:innen unangenehm sind. Das kann passieren, wenn zu wenig ILF-HD-Training gemacht wird, weil das Gehirn dann in den synchronen Zuständen in eine Art Ressonanz-Katastrophe geht und das dann zu Instabilitäten, wie zum Beispiel Migräneanfälle,  Panikattacken oder Dissoziation triggern. Personen, die noch nicht richtig loslassen und die Kontrolle abgeben können, profitieren dann nicht so vom Synchronie-Training, weil sie sich innerlich dagegen wehren und sich noch nicht darauf einlassen können.


BEE Medic: Synchronie-Training oder Alpha-Theta-Training setzt man nicht bei speziellen Erkrankungen ein, sondern man entscheidet von Person zu Person, ob man noch diese Entspannungs- und Meditationsphasen machen möchte, oder nicht?

Meike
: Im Prinzip machen wir nach der ausführlichen Anamnese und dem Symptom-Tracking einen Behandlungsplan, anhand der Symptomatik, der Entwicklungsgeschichte, hier vor allem auch anhand der Probleme, die die Personen beschreiben oder Ziele, welche die Personen erreichen möchten. Mit  Behandlungsplan planen wir welche Art von Training sinnvoll sein kann, zum Beispiel mit welchen Trainings Positionen wir die Symptome und Ziele angehen möchten Und dann haben wir aber schon auch von vornherein die Idee, da könnte Synchronie gut sein, oder da könnte Alpha-Theta gut sein. Ob es dann im Verlauf des Trainings wirklich noch notwendig ist, oder ob die Personen schon glücklich mit dem ILF-HD Wachtraining sind, das kann man erst später im Verlauf des Trainingsprozesses entscheiden. Es kommt auch immer darauf an, was der Mensch will.  Meiner Meinung nach ist man nie fertig mit der Persönlichkeitsentwicklung oder mit der Arbeit an sich selbst. Aber letztendlich entscheidet die Person und sagt: “‘Ja, das Problem ist weg, ich bin sehr zufrieden. Danke!” Und dann kann man gemeinsam beschließen, ob man an dieser Stelle Schluss macht oder nicht. Man kann es also den Personen anbieten als weiteren Schritt. Und das ist individuell unterschiedlich und ist nicht die Aufgabe der Therapeut:innen, sondern das entscheiden die Personen. Manche sagen: “So ich bin  jetzt zufrieden, so habe ich mir vorgestellt und hier machen wir Schluss”, andere sagen: “Nö, jetzt fange erst richtig an, ich will jetzt wissen, was noch möglich ist”. 
 

BEE Medic: Welches Training wendest du auch gerne bei dir selbst an?

Meike
: Ich mache jetzt schon seit ca. 25 Jahren Neurofeedback und habe auch ganz früh mit dem Alpha-Theta-Training begonnen. Je nachdem, was wir für neue Entwicklungen haben, habe ich immer ein Lieblings-Training. Jahrelang war Alpha-Theta mein Lieblings-Training, bis wir dann das Synchronie-Training entwickelt haben. Eine Zeit lang habe ich auch sehr gerne mit dem 40-Hertz-Training gearbeitet, weil es für mich immer wie ein super meditativer Zustand war, in welchem der Kopf total klar und frei ist und ich den Körper gar nicht mehr wahrnehme, das Gefühl der Präsenz in dem Moment ist super angenehm. Dann gibt es noch das 0,05-Hertz-Training, welches ich kennengelernt habe, als ich zu Besuch bei den Othmers in den USA war. 
Und seitdem war das mein Lieblings-Training, weil es mir eigentlich all das gebracht hat, was ich früher schon immer gelesen habe, was das Alpha-Training anscheinend so machen soll. Also wenn ich jetzt nur vom Neurofeedback spreche, wechselt das zwischen Alpha-Theta, dem Synchronie Midline und 40 Hertz. Das sind so meine 3 Favoriten. 
 

BEE Medic: Gibt es irgendwas, was du abschließend zu Alpha Theta oder Synchronie noch sagen möchtest?

Meike: Was ich immer gerne zum Schluss mitgebe und das merke ich auch in den Kursen, die wir machen, ist, dass sich die Neurofeedback Therapeut:innen leider viel zu wenig um sich selbst sorgen. Im Großen und Ganzen wäre es nicht nur für die Therapeuten selber, sondern auch für ihre Umwelt und ihre Patient:innen gut. Zum Abschluss würde ich den Therapeut:innen nahelegen wollen: Es ist so einfach und es ist so gewinnbringend, wenn ich die Methoden zur Verfügung habe. Und klar, was ich immer höre: “Erst kommen alle anderen und dann komme ich” und dann sage ich mal: “Bitte, bitte, kümmert euch auch um euch selbst und macht es für euch selbst." Das Synchronie- und Alpha-Theta-Training bringen einen dann auch wirklich in der Persönlichkeitsentwicklung ein Stück weiter, da sie wirklich auf ganz tiefer Ebene entspannen, beruhigen und die Gelassenheit fördern, was uns als Therapeut:innen sowohl im Alltag als auch im Umgang mit unseren Patient:innen gut tut.

BEE Medic: Vielen Dank Meike für deine Zeit und diesen wertvollen Input!


Ein Interview mit Meike zum Thema Alpha-Theta Training finden Sie hier.
 

 

Was ist eigentlich Neurofeedback? Was versteht man unter Biofeedback? Und wie läuft eine Neurofeedback Sitzung eigentlich ab? - Ein Überblick über die wichtigsten Begriffe im Neurofeedback

13. Oktober 2023

Neurofeedback wird immer bekannter und viele Begriffe werden immer geläufiger. Aber was bedeuten diese eigentlich? Wir möchten euch die wichtigsten dieser Begriffe in diesem Blogbeitrag erklären. 


Was ist Neurofeedback?
Neurofeedback ist ein computergestütztes Therapieverfahren für den klinischen Einsatz, bei welchem ausgewählte Parameter der eigenen Gehirnaktivität wahrnehmbar gemacht werden. Dazu werden an der Kopfoberfläche Gehirnströme in Echtzeit gemessen (Neuro), die eine audiovisuelle Animation, oft einem Computerspiel ähnlich beeinflussen (Feedback). Neurofeedback ist wie eine Art Spiegel für das Gehirn. Das direkte Feedback auf Basis erprobter Behandlungsprotokolle und Elektrodenpositionen zielt darauf ab,  die Selbstregulierungsfähigkeit des Gehirns zu verbessern. Auf diese Weise können Symptome von Erkrankungen gelindert werden.
 

Was ist Biofeedback?
Beim Biofeedback werden periphere physiologische Parameter gemessen und als Feedback auf den Bildschirm zurückgemeldet. Die Parameter können beispielsweise die Atmung, die Herzratenvariabilität oder der Hautleitwert sein. Durch das Feedback können Rückschlüsse auf das aktuelle Stresslevel des Patienten gezogen werden. Biofeedback kann in der Therapie von psychischen und physischen Krankheiten, als auch im Leistungs- und Konzentrationstraining eingesetzt werden. Vor allem beim symptombasierten ILF - Neurofeedback, kann Biofeedback eine gute Ergänzung darstellen. Vor allem für Patienten, welche die Veränderung ihres Stress- oder Entspannungszustand nicht gut wahrnehmen oder verbalisieren können, stellt Biofeedback eine Möglichkeit dar, die Veränderungen besser wahrzunehmen und zu erleben. Auch für Therapeuten kann dies Vorteile bringen. So kann skeptischen Patienten der Zusammenhang zwischen Psyche und Physiologie sichtbar gemacht werden. Außerdem können Therapeuten Anzeichen für Stress und Entspannung ableiten und die Therapie entsprechend optimieren.

Wie funktioniert die Selbstregulierung im Neurofeedback?
Beim Neurofeedback wird die Selbstregulierungsfähigkeit des Gehirns trainiert. Dazu werden an der Kopfoberfläche EEG-Signale abgeleitet. Auf Basis einer gründlichen Erhebung der Symptome der zu behandelnden Person, werden bestimmte Frequenzbereiche der Gehirnaktivität gemessen und ausgewertet, um in Echtzeit das Feedback in Form einer Animation auf einem Bildschirm zu steuern. Das Gehirn „erkennt“, dass es die Animation beeinflussen kann und das Bild zum Beispiel klarer und schärfer wird oder die Musik lauter und leiser. Durch diesen kontinuierlichen Prozess können die behandelten Personen lernen ihre Selbstregulationsfähigkeit zu verbessern. Insbesondere bei psychischen Erkrankungen können so oftmals damit verbundene begleitende Stresssymptome, Schlafstörungen oder Störungen des Aufmerksamkeits- und Konzentrationsspektrums deutlich verbessert werden. Wichtig zu wissen ist, dass es keine optimale Frequenz gibt, die für jede Person gleich ist. Stattdessen ist die optimale Frequenz sehr individuell und hängt sowohl von der Person als auch von der gegebenen Situation ab. Durch die Selbstregulierung lernt das Gehirn, die für sich optimale Erregungsfrequenz zu finden, um Über- und Untererregung, sowie damit einhergehende Symptome zu vermeiden.
 

Herzrate und Herzratenvariabilität im Biofeedback
Der Puls ist ein biologischer Parameter, der sich je nach äußerlichen und inneren Anforderungen verändert. Nicht nur ein gleichmäßiger Puls, sondern auch die Anpassungsfähigkeit der Herzrate an verschiedene Anforderungen - die sogenannten Herzratenvariabilität (HRV) -  ist ein zentraler Parameter im Biofeedback. 
Als Herzratenvariabilität wird die Variation des zeitlichen Abstands zweier Herzschläge bezeichnet (auch: beat to beat intervall). Diese ist in Zeiten der Entspannung länger als bei körperlichen oder emotionalen Stress. Eine hohe Herzratenvariabilität spricht für eine gute (periphere) Selbstregulation, denn sie indiziert, dass der Organismus die Herzrate je nach Anforderungen anpassen kann und die optimale Frequenz für die jeweilige Situation findet. Eine niedrige Herzratenvariabilität hängt oft mit einem Problemen im Umgang mit stressvollen Situationen, Erinnerungen oder Stress im Allgemeinen zusammen. 
Gerade bei Patienten mit Angststörungen, Depressionen oder chronischen Schmerzen kann ein Biofeedback mit dem Training der Herzratenvariabilität hilfreich sein. Oft ist diesen Patienten die Verbindung zwischen ihren emotionalen Belastungen und den körperlichen Reaktionen nicht bewusst und die Wahrnehmung des eigenen Körpers funktioniert nicht gut, da sie dauerhaft einen sehr hohen Stresslevel haben. Hier zu trainieren, zentrale Parameter wie Herzschlag und Atmung wahrzunehmen, zu beeinflussen, zu synchronisieren und so das allgemeine Stressniveau zu senken, kann in der Therapie ein Schlüsselerlebnis darstellen und den Patienten vor Augen führen, dass sie durchaus Kontrolle über ihren körperlichen und psychischen Zustand haben.


Die Atmung im Biofeedback
Sie kennen sicher den Tipp, den Laien-Literatur und Großmütter gerne immer dann geben, wenn jemand gestresst ist: Dreimal tief durchatmen. Hilft das wirklich? Ein kleines Experiment: Legen Sie Ihre Hand auf den Bauch. Atmen Sie tief in Ihren Bauch ein, spüren Sie, wie die Hand sich hebt, wie sich ihr Bauch wölbt, halten Sie, wenn der Bauch maximal gewölbt ist, kurz die Luft an und atmen Sie dann langsam und gleichmäßig wieder aus. Spüren Sie, wie die Luft erst aus dem Bauch und dann aus den Spitzen der Lungen, über die beiden Lungenflügel und die Atemwege nach draußen strömt. Wiederholen Sie dies dreimal. Was fällt Ihnen auf? Wie führen Sie sich? Wie hat sich ihr Herzschlag verändert? 
Der Herzschlag?! Genau - Atmung und Herzschlag hängen physiologisch eng miteinander zusammen. In einem entspannten Zustand korrelieren Herz- und Atemrate, dies nennen wir auch “respiratorische Sinusarrhythmie”. Beim Einatmen wird die Herzrate dabei höher, das sympathische Nervensystem wird aktiviert und beim Ausatmen wird die Herzrate niedriger, das parasympathische Nervensystem wird aktiviert. In Stresssituationen dreimal tief ein und aus zu atmen kann so dabei helfen, nicht nur bessere Bewusstsein und Kontrolle über die eigene Atmung zu erlangen, sondern in der Folge auch die Korrelation von Atmung und Herzschlag zu synchronisieren. 
 

Was ist eigentlich der Hautleitwert?
Die Haut auf unserer Handfläche ist durch besonders viele Schweißdrüsen gekennzeichnet. Bei hohem Stress steigt auch die Drüsenaktivität schnell an. Da es sich bei Schweiß um eine salzhaltige Flüssigkeit handelt, steigt der Hautleitwert dadurch an. Gemessen wird dies durch zwei Elektroden an den Fingern. Bei gesunden Menschen ist der Hautleitwert im Ruhezustand konstant und niedrig. Wenn der Hautleitwert durch die Präsentation eines Stressors ansteigt, erreicht dieser gewöhnlich nach 1 - 2 Minuten wieder seinen Ausgangswert. Bleibt der Wert lange auf hohem Niveau, deutet dies auf Probleme mit der emotionalen Regulierung hin. Schwankungen ohne ersichtlichen Grund können ein Hinweis darauf sein, dass selbst eigentlich neutrale Reize stressig empfunden werden. Da der Hautleitwert schnell auf stressvolle Reize anspringt und einfach zu messen ist, eignet er sich in der Therapie besonders gut als psychophysiologischer Spiegel - und gibt den Wechsel von An- und Entspannung wieder. Er kann aber auch als Unterstützung im Entspannungstraining oder beim Erlernen verschiedener Entspannungstechniken eingesetzt werden.

Die Körpertemperatur im Biofeedback
Die Temperatur wird in der Regel über einen Sensor am Finger gemessen. In einem entspannten Zustand entspannt sich in der Regel auch die glatte Muskulatur in den Wänden der Blutgefäße, was dazu führt, dass mehr Blut in die Extremitäten fließt - wir erkennen das häufig daran, dass sich ein Wärmegefühl in den Händen einstellt. Eine einsetzende Entspannung geht also mit einer Erhöhung der Temperatur in den Extremitäten einher. Unter Stress oder Anspannung zieht sich die Muskulatur in den Gefäßwänden zusammen, die Gefäße werden enger und weniger Blut gelangt in die Extremitäten und es kommt oft zu einem Absinken der Körpertemperatur. Die Körpertemperatur reagiert dabei meistens etwas verzögert, von Beginn der Stressreaktion bis zu einem Absinken der Körpertemperatur in den Extremitäten können durchaus 1-2 Minuten vergehen. Die Körpertemperatur Hautleitwert kann in der Therapie beispielsweise eingesetzt werden, um den Einfluss von Gedanken und Vorstellungen auf die Physiologie zu demonstrieren, manchen Patienten gelingt es nämlich durch die Vorstellung von Wärme/Kälte eine Veränderung der Temperatur zu erreichen, und auch im Entspannungstraining kann die Körpertemperatur eine Rolle spielen. 

Die Kombination von Bio- und Neurofeedback
Beim symptombasierten Infra Low Frequency (ILF) Neurofeedback sind die Symptome und die Zustandsänderungen des Patienten die zentralen Komponenten. Viele dieser Symptome beziehen sich ebenfalls auf Korrelate von Stress und Entspannung. Die Hinzunahme von Biofeedback Parametern kann entsprechend eine sinnvolle Ergänzung für ILF Neurofeedback darstellen. So wird es für Patient und Therapeut möglich, auch die physiologischen Korrelate der Zustandsänderungen in die Therapie einzubeziehen. Patienten, die Veränderungen in ihrem Stress - und Entspannungszustand nicht gut wahrnehmen oder verbalisieren können, erhalten darüber eine weitere Möglichkeit, Veränderungen durch das Neurofeedback nachzuvollziehen und zu erleben. Auch Veränderungen, die teilweise unter der Wahrnehmungsschwelle liegen, können durch die Messung peripherer Signale sichtbar gemacht werden und Eingang in die Therapie finden. Bei skeptischen oder angespannten Patienten kann der Einbezug der Biofeedback Parameter im Sinne der Psychoedukation auch dabei helfen, die Verbindung von Psyche und Physiologie sicht- und erlebbar zu machen, den Patienten das Setting mit Elektroden näher zu bringen und die mögliche Angst vor Veränderungen durch die Therapie schrittweise zu nehmen, um de Patienten so sanft an Neurofeedback heranzuführen. Der Therapeut kann in den physiologischen Parametern Anzeichen für Stress und Entspannung ableiten und entsprechend die Therapie optimieren, beispielsweise durch eine Frequenzänderung.

Was ist Alpha-Theta Neurofeedback/ Synchronie-Training?
Bei Alpha-Theta Neurofeedback und Synchronie-Training handelt es sich um zwei spezielle Arten des Neurofeedbacks. Beim Alpha-Theta Neurofeedback geht es vor allem darum, kortikale Aktivität zu beruhigen und physisch wie psychisch besser “runterfahren” zu können. Das Synchronie-Training bezeichnen wir gerne als “Achtsamkeitstraining” geleitet von der eigenen Gehirnaktivität. Beide Verfahren ergänzen ideal das ILF Neurofeedback und kommen vor allem bei Posttraumatischen Belastungsstörungen, Angst- und Schlafstörungen aber auch im Peak Performance zum Einsatz.

 

Der Einsatz von Neurofeedback im Umgang mit Menopause

22. August 2023

Dr. Dawn Harris, Gründerin und CEO der Kedras Kliniken, arbeitet seit Jahren erfolgreich mit Neurofeedback. In einem Artikel berichtet sie, wie Neurofeedback auch im Umgang mit Symptomen der Menopause eingesetzt werden kann. Der Artikel ist in der britischen Zeitschrift Menopause im Juni 2023 erschienen. 

 

Die mit der Menopause einhergehenden hormonellen Veränderungen können für einige Frauen eine nicht unerhebliche Belastung darstellen, welche mit einer Reihe an Herausforderungen für die betroffenen Frauen verbunden sein können. Dr. Dawn Harris erklärt, wie Neurofeedback den Patientinnen wieder mehr Lebensqualität zurückgeben kann.


Die perimenopausalen Veränderungen im Körper einer Frau setzen durchschnittlich im Alter von 47 Jahren ein und dauern etwa vier bis fünf Jahre (Krug 2022:93). Diese hormonelle Umprogrammierung kann mit einer Reihe von physischen, neurologischen sowie psychischen Veränderungen einhergehen. Diese Veränderungen können sich insbesondere in Hitzewallungen, Schlafstörungen, Vergesslichkeit, Stimmungsschwankungen, Veränderungen des Gewichts, Entwicklung von Ängsten, Hautveränderungen, Beziehungsproblemen zeigen, um nur einige der möglichen Symptome anzuführen. Da sich sowohl die Intensität der perimenopausalen Symptome als auch die damit einhergehenden Copingstrategien unterscheiden, kann es einige Frauen vor die Herausforderung stellen eine für sie passende Therapie zu finden, die mit möglichst wenigen unerwünschten Begleiterscheinungen einhergeht.

Einer Studie aus dem Jahr 2021 zufolge verursacht die Menopause dynamische neurologische Transformationen, welche sich maßgeblich auf die Struktur des Gehirns auswirken. Vor diesem Hintergrund sei es naheliegend, Therapiebausteine einzusetzen, welche diese neurologischen Dysregulationen adressieren. An dieser Stelle setzt Neurofeedback an - mit Hilfe der nicht-invasiven und zugleich sicheren und schnellen Technologie können das Gehirn und der Körper lernen, sich von den neurologischen Veränderungen zu regenerieren.

 

Welchen Nutzen kann Neurofeedback im Rahmen einer symptomatischen Menopause haben?

Das Neurofeedback kann an der Regulierung der subkortikalen Areale des Gehirns arbeiten, zu denen u.a. die Amygdala, das Kontrollzentrum der Emotionen, zählt. Darüber hinaus kann Neurofeedback ebenfalls an einer Regulierung des Hypothalamus arbeiten, wodurch an der Körpertemperatur der Patientinnen angesetzt werden kann. Der Hippocampus, welcher in erster Linie mit dem Gedächtnis assoziiert wird, kann durch Neurofeedback ebenfalls trainiert werden. Neben den bereits angeführten Hirnarealen fokussiert das Neurofeedback-Training ebenfalls die Regulierung des präfrontalen Kortex, sodass bspw. die Konzentrationsfähigkeit trainiert werden kann. Neurofeedback kann somit bei vielen der mit den Wechseljahren verbundenen Symptome ansetzen, indem es auf diese Teile des Gehirns einwirkt.


Den ganzen Artikel lesen Sie in der Juniausgabe der Zeitschrift Menopause Life.
https://menopauseexperts.com/product/menopause-life-june-2023/


Auch wir möchten die Erkenntnisse in diesem Gebiet weiter voranbringen. Wir suchen daher interessierte Therapeut:innen, welche Teil einer Studie sein möchten, die Fallstudien zu diesem Thema untersucht. Wenn Sie Interesse daran haben, teilen Sie uns dies gerne hier mit:
https://docs.google.com/forms/d/e/1FAIpQLScoACLdNJnqX8g4We7BVTKfHoVrzD8ix-g4oj7WYlpT_p3RAw/viewform?usp=sf_link


Weitere Quellen:

Krug, M. (2022): Menopause - ein Organ verabschiedet sich. EHK; 71: 89-96. a-1718-1360.pdf (thieme-connect.com)
 

“Die Idee hinter dem Alpha-Theta-Training ist es, einen Zugang zwischen der bewussten und der unbewussten Ebene zu schaffen.” Über den Einsatz von Alpha-Theta-Training in der Therapie und als Methode der Selbstfürsorge - ein Interview mit Meike Wiedemann

13. Juli 2023

Gemeinsam mit Neurobiologin und Neurofeedback-Expertin Meike Wiedemann haben wir ein Interview zum Thema Alpha-Theta-Training geführt. Sie erklärt, was Alpha-Theta-Training eigentlich ist, wie sie es in ihrem Praxisalltag einsetzt und warum es eine Methode der Selbstfürsorge darstellt.

 

BEE Medic: Liebe Meike, vielen herzlichen Dank, dass du dir heute Zeit für uns nimmst. Kannst du zu Beginn beschreiben, was das Alpha-Theta-Training überhaupt ist? 
Meike:
Das Alpha-Theta-Training ist ein Bestandteil der sogenannten Othmer-Methode. Beim Alpha-Theta greifen wir im Prinzip auf das Frequenzbandtraining zurück. Im Gegensatz zum Wachtraining sprechen wir beim Alpha-Theta-Training auch vom Tiefenzustandstraining, weil der Zustand, den man damit erreichen möchte, eine Art Trancezustand ist. Bei dem Alpha-Theta-Training sitzen die Patient:innen mit geschlossenen Augen auf einem bequemen Sessel. Ihre Augen sollen Patient:innen während des ganzen Prozesses geschlossen halten, um in diesen Tiefenzustandsbereichen einen besseren Zugriff auf die Verarbeitung psychologischer Themen zu haben. Das ILF-Wachtraining wird hauptsächlich zur physiologischen Regulation eingesetzt. Das Alpha-Theta-Training geht eine Schicht tiefer, um die psychodynamischen Prozesse anzusprechen und auch Zugriff auf unbewusste Verarbeitungen zu haben. Die Idee hinter dem Alpha-Theta-Training ist es, einen Zugang zwischen der bewussten und der unbewussten Ebene zu schaffen. Das Alpha-Theta-Training zielt daher mehr auf die Psychodynamik ab und weniger auf eine körperliche Regulation. Wobei man sagen muss, dass innerseelische Vorgänge, die unser Verhalten prägen, auch eng mit körperlichem Empfinden verbunden sind und umgekehrt. Man öffnet im Alpha-Theta-Training die Pipeline, so dass die bewussten und unbewussten Systeme “verbunden werden können" und so auch die Ressourcen im Unbewussten genutzt werden können.

BEE Medic: Wofür steht eigentlich Alpha und für was Theta?
Meike:
Das sind die klassischen Frequenzbänder. Alpha ist ein Frequenzband um die zehn Hertz und Theta liegt tiefer, zwischen vier und sieben Hertz. Der Zustand im Alpha ist eine leichte Entspannung, man kann von einem entspannten Fokus sprechen. Im Vergleich dazu liegt Theta noch tiefer. Wenn wir vom ganzen Spektrum von Wachzuständen sprechen, dann gibt es diesen entspannten Fokus und wenn man dann mehr und mehr “nach innen geht” und in sich zurückzieht, dann befinden wir uns  eher in dem Theta-Bereich und den unterbewussten Zuständen.

BEE Medic: Wie setzt du das Alpha-Theta-Training in deiner Praxis ein?
Meike: Das Alpha-Theta-Training ist immer ein Zusatz zum ILF-Training, zum sogenannten Wachtraining. Mit dem ILF-Neurofeedback wird erstmal über mehrere Sitzungen eine Basis geschaffen, da gibt es keine feste Anzahl. Das heißt, man hat zunächst viele Sitzungen Wachtraining, um Symptome zu reduzieren und die zu behandelnde Person zu stabilisieren. Dann kann man für Themen,  bei welchen es um psychodynamische Prozesse geht, damit arbeiten. Beispielsweise die Veränderung von Glaubenssätzen, alte Gewohnheiten loszulassen oder auch bei der Verarbeitung von traumatischen Inhalten. Im nächsten Schritt geht es darum, eine Schicht tiefer zu tauchen, um Dinge auch aufzulösen. Im weiteren Verlauf einer Alpha-Theta-Sitzung fördert man durch das Neurofeedback sowohl Alpha- als auch Theta-Wellen. Am Anfang empfinden Patient:innen eine leichte Entspannung im Alpha-Bereich. Nach fünf bis zehn Minuten gehen die Patient:innen meistens noch einen Schritt tiefer in diese tranceähnlichen Zustände. In der Regel wechseln sie dann zwischen Alpha und Theta, oder haben auch mal längere Zustände im Theta. Das ist dann der Bereich, in dem man Zugriff auf die unbewussten Bereiche hat. Die Anwendung von Alpha-Theta-Training unterscheidet sich zwischen Patient:innen. Bei manchen bietet es sich an in jeder zweiten Sitzung Alpha-Theta-Training zu machen, bei anderen mag es sein, dass man alle drei, vier, fünf Sitzungen erst damit arbeitet, um die im Wachtraining erreichte Symptomreduktion beizubehalten und keine Rückschritte hervorzurufen. Was die Patient:innen aber im Alpha-Theta-Training erleben, das sind traumähnliche Zustände. Dinge verknüpfen sich und sie finden Lösungen, auf die sie mit bewusstem Denken nie gekommen wären. Es ist aber nicht so, dass das immer ganz bewusst ist, dass es “klick” macht. Sondern das passiert oft auf unbewusster Ebene.

BEE Medic: Warum ist es so wichtig, sich mit ILF-Neurofeedback auf das Alpha-Theta-Training vorzubereiten?
Meike: Man möchte, dass die Patient:innen das Alpha-Theta-Training  von einer sicheren Position aus erleben, und das braucht zunächst die Vorbereitung und die physiologische Regulation durch das ILF-HD-Training. Patient:innen, die sehr beladen sind, sei es mit emotionalen Problemen oder mit neurologischen Instabilitäten, so etwas wie Migräneattacken oder Kopfschmerz-Symptomen, können durch das Alpha-Theta-Training wieder getriggert werden. Oder wenn ich mit Menschen mit traumatischen Erlebnissen ein Alpha-Theta-Training ohne ILF-Training mache, dann kann es passieren, dass sie sich mit ihrem ganzen Erleben in diesem Trauma befinden. Ist jemand noch extrem ängstlich und kontrolliert, dann wird er oder sie sich auch nicht auf ein Alpha-Theta-Training einlassen können. Was dann passieren könnte ist, dass die Patient:innen die Augen aufreißen und sagen “das mach ich nicht!”, weil sie spüren, dass sie die Kontrolle verlieren. Das Loslassen und der entspannte Zustand wird dann als gefährlich und zu überwältigend empfunden, dadurch können unnötige Ängste getriggert werden.
Deshalb braucht es eine gute Vorbereitung, einerseits mit dem ILF-Training und andererseits natürlich auch eine entsprechend gute Beziehung zu dem/r Therapeut:in.

BEE Medic: Mit welchen Patient:innen machst du das Alpha-Theta-Training?
Meike: Alpha-Theta-Training kann die Effekte vom ILF-HD-Training nochmal richtig festigen. Bei Patient:innen, welche nach dem ILF-Training “noch nicht fertig” sind, kann das Alpha-Theta-Training nochmal einen Schwung in ihrer Weiterentwicklung erzielen. Die Person sollte es nur gut vertragen oder genügend vorbereitet sein, durch ILF-Training oder andere Selbstregulierungsmethoden. Ich hatte schon Patient:innen im Training, bei denen ich gesagt habe “Prima, die Kopfschmerzen sind weg, jetzt können wir das Training ausschleichen lassen”. Und die Patient:innen haben dann gesagt:“Nein, jetzt fangen wir erst richtig an. Ich hätte nie gedacht, dass ich in meinem Leben überhaupt so weit komme und jetzt habe ich noch diesen und jenen Wunsch.” Alpha-Theta-Training wird auch häufig im Bereich Peak Performance eingesetzt. Zum Beispiel kann ein:e Skifahrer:in gewisse Strecken durchlaufen oder ein:e Schauspieler:in  oder Sänger:in kann sich in diesem Zustand auf die Aufführung oder die Prüfung vorbereiten.

 

BEE Medic: Welchen Vorteil bietet das Alpha-Theta-Training deinen Patient:innen?
Meike: Das Alpha-Theta-Training kann einen weiteren Schub in der Veränderungsarbeit geben, in dem ganzen Therapieprozess und erlaubt eine Verarbeitung auf einer tieferen Ebene. Wenn ich das Alpha-Theta trainiere, dann trainiere ich auch für die Zukunft: Wie kann ich mich auf solche Zustände einlassen? Man kann dann viel mehr auf Ressourcen, die im Unterbewusstsein liegen, einen Zugriff schaffen und mehr davon nutzen.

BEE Medic: Warum macht man das Alpha-Theta-Training mit geschlossenen Augen? Und wie funktioniert dann eigentlich das Feedback?
Meike: Beim Alpha-Theta-Training ist es wichtig, die Augen zu schließen, damit man überhaupt in diesen tiefen Zustand gelangt. Das Alpha-Theta-Training ermöglicht in diesem Zustand, Dinge in einer Art Dissoziation noch einmal zu erleben. Das heißt es ermöglicht, sich selbst in einem sicheren Zustand zu fühlen, um Dinge nochmal unter einem anderen Blickwinkel verarbeiten zu können. Es ist wie eine “nach-innen-Schau”. Man richtet den Fokus weg von der Außenwelt und in die Innenwelt hinein. Und das ist natürlich schwer, wenn man von außen durch Bilder abgelenkt ist. Erst mit geschlossenen Augen tauchen die Alphawellen in dem Maß auf, in dem man in sich hineinschauen kann. Das Trickreiche beim Neurofeedback ist: Alles Feedback, das man braucht, also wie verhalten sich gerade die Alphaamplituden, Thetaamplituden, steile Anstiege in Amplituden, das wird alles auditiv zurückgemeldet. Man muss keine Angst haben, dass man mit geschlossenen Augen irgendein Feedback verpasst. Nichtsdestotrotz haben wir die Möglichkeit am Anfang bei dem Software Modul Alpha-Theta-Reflections, auch ein visuelles Feedback zu geben. Das erleichtert den Patient:innen oft den Einstieg. Das sind sogenannte guided imagery, die man in verschiedenen Sprachen zuschalten kann, sodass die Patient:innen unterstützt werden, in einen solchen Zustand zu gelangen. 

BEE Medic: Was sind deine bisherigen Erfahrungen mit Alpha-Theta-Training?
Meike: Ich habe auch schon in früheren Zeiten an der Uni mit Alpha-Theta-Training gearbeitet. Die Erfahrung ist, dass Patient:innen relativ schnell in solche Trancezustände kommen ohne, dass sie groß angeleitet werden müssen. Im therapeutischen Sinn ist es eine fantastische Möglichkeit für Patient:innen auf unbewusster Ebene psychodynamischen Prozessen zu unterstützen, zu verarbeiten, umzulernen und wirklich diesen Tiefenzustand zu nutzen, wie man das mit anderen Methoden auch macht. Ich arbeite auch mit Hypnosetherapie. Da gibt es relativ viele Parallelen dazu. 

BEE Medic: Kann man Alpha-Theta-Training als Therapeut:in auch an sich selbst anwenden?
Meike: Ich würde es jedem/r Therapeut:in ans Herz legen, selbst zu trainieren und selbst diese Tools zu nutzen. Und nicht nur in dem Sinn, dass man eine Selbsterfahrung macht, sondern damit man weiß, was die Patient:innen währenddessen erleben. Für mich selbst sind die Gewinnbringendsten das Synchronie und das Alpha-Theta-Training. Es gibt verschiedene Methoden für Selbstfürsorge, aber wenn ich Neurofeedback mache, dann sind Synchronie und Alpha-Theta meine Favoriten. Das bringt einen wirklich von dem Alltag herunter, auf eine andere Ebene, wie eine angenehme tiefe Meditation. Und es ist super einfach. Man muss nichts machen, außer sich die Elektroden aufkleben, das Programm starten und sich dann sozusagen berieseln lassen. Ich kann dann auch richtig abtauchen in diesen tiefen Zustand. Das finde ich sehr gewinnbringend und der Ablauf vom Rest des Tages ist dann ein komplett anderer, viel entspannter und gelassener, ruhiger. So gesehen finde ich das Alpha-Theta-Training, wenn man ein Neurofeedback-System zur Verfügung hat, eine relativ einfache Art der Selbstfürsorge. 

Erste Annual Conference for Applied Neurofeedback - vom 16. bis 17. Juni 2023 in Birmingham, UK

31. Mai 2023

In diesem Jahr findet die erste Annual Conference for Applied Neurofeedback, kurz: ACAN, in Birmingham statt. Vom 16. bis 17. Juni geben internationale Expert:innen in Vorträgen und Diskussionsrunden Einblicke in die moderne Neurofeedback-Forschung und die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse, wobei das Thema Trauma im Fokus steht. In praktischen Neurofeedback-Workshops werden innovative Technologien wie Virtual Reality, QEEG, Neurofeedback im Bereich der Peak Performance und Biofeedback behandelt. 


“Wir freuen uns sehr, dass einige namhafte Persönlichkeiten wie Sebern Fisher und Siegfried Othmer an der Konferenz teilnehmen und ihre Expertise teilen. Die Konferenz bietet geballtes Fachwissen und die optimale Möglichkeit, neue Impulse und Anregungen für die Praxis zu erhalten. Ich bin mir sicher, dass die Konferenz einen großen Mehrwert für alle Teilnehmenden bietet.”, so Alan Beresford, UK Manager von BEE Systems Limited. Teilnehmende der Konferenz erwarten Einblicke in die tägliche klinische Praxis sowie die Integration von innovativen Technologien wie Virtual Reality Neurofeedback und Biofeedback-Anwendungen in die Neurofeedback-Praxis. Renommierte Expert:innen legen in Impulsvorträgen dar, wie und warum Neurofeedback im Bereich der Traumatherapie eine zunehmend relevante Rolle spielt. Zudem werden aktuelle Erfahrungen mit Neurofeedback-Behandlungen bei Long Covid diskutiert.

 

An der ACAN nehmen Fachleute für psychische Gesundheit aus der ganzen Welt teil. Die Konferenz bietet damit auch eine wertvolle Plattform für intensiven Austausch und ermöglicht allen Teilnehmenden neue Impulse für verbesserte Praxis und eine optimierte Anwendung von Neurofeedback zu erhalten sowie ihr Netzwerk international zu erweitern. “Mit ACAN möchten wir eine internationale Plattform für anwendungsorientiertes Neurofeedback schaffen.”, so Johannes Spallek, Geschäftsführer der BEE Medic GmbH und weiter “Teilnehmende können nicht nur in persönlichen Kontakt mit Fachkolleg:innen treten und sich von Gleichgesinnten inspirieren lassen, sondern verlassen die Konferenz mit einem Bündel an Wissen und umsetzbaren Ideen, um mit Neurofeedback noch mehr zu erreichen”.

 

Weitere Informationen und Details zur Konferenz sowie zum Ticketkauf finden Sie hier.
 

Schlaf als Symptom - Warum Schlaf so wichtig ist und wie Neurofeedback bei Schlafproblemen helfen kann.

17. März 2023

Wir alle wissen, wie wichtig Schlaf ist, vor allem dann, wenn wir Probleme damit haben: Schwierigkeiten beim Einschlafen, nicht Durchschlafen können, ständiges Aufwachen und schlechtes Wiedereinschlafen - Schlafstörungen sind vielseitig, ihre Ursachen auch. In diesem Blogbeitrag wollen wir erklären, warum Schlaf so wichtig ist, was Folgen von schlechtem Schlaf sein können und wie Neurofeedback bei Schlafproblemen helfen kann.

 
Wer viel schläft, schläft auch gut, oder?


Ganz so einfach ist das natürlich nicht. Das Schlafbedürfnis unterscheidet sich je nach Alter und Geschlecht. Frauen brauchen allgemein mehr Schlaf als Männer und Kinder mehr als Erwachsene. Aber auch andere Faktoren wie Jahreszeit, Gewohnheit, Gesundheit oder Lebensumstände beeinflussen unser Schlafbedürfnis (Hirshkowitz et al., 2015). In Mitteleuropa liegt die durchschnittliche Schlafdauer bei sieben Stunden pro Tag, wobei sie zwischen fünf bis neun Stunden variiert. Die Schlafdauer sagt dabei nicht unbedingt etwas über die Schlafqualität und das Gefühl des Erholt Seins aus (Crönlein et al., 2017). Ob wir uns erholt fühlen und fit durch den Tag kommen, hängt dabei vor allem von unserem subjektiven Empfinden ab.

 
Welche Schlaftypen gibt es?  


Die Wissenschaft unterscheidet drei Chronotypen: Abend-, Morgen- und Normaltyp. Sie unterscheiden sich hinsichtlich des Zeitpunktes ihres Leistungshochs, der Wachheit und der Schlafpräferenz (Crönlein et al., 2017). Während der Morgentyp, wie das Wort schon vermuten lässt, in den Morgenstunden besonders leistungsfähig ist und Schwierigkeiten hat abends lange wach zu bleiben, kann der Abendtyp besonders zu späterer Stunde hohe Leistungen erbringen und empfindet die Morgenstunden als quälend. Diese beiden Extremtypen sind jedoch eher selten (Crönlein et al., 2017). Am häufigsten findet man den Normaltyp in der Gesellschaft. Diese Menschen werden weder besonders früh noch spät wach, sind also ein Mischtyp aus der “Lerche” (Morgentyp) und “Eule” (Abendtyp).

 

Woher wissen wir, wann wir schlafen müssen?


Klar, wenn wir müde sind, aber warum werden wir müde? Ganz gleich welcher Schlaftyp wir sind, unsere Müdigkeit und der Drang zu schlafen wird durch zwei Faktoren hervorgerufen: dem circadianen Rhythmus und dem Hormon Adenosin. Der circadiane Rhythmus ist sozusagen die “innere Uhr”, dem unser Organismus und all unsere Zellen folgen. Er dauert ca. 24 Stunden (daher auch die Bezeichnung circadian, die sich aus dem Lateinischen circa, ungefähr so wie dies also Tag ableitet). Dieser circadiane Rhythmus beeinflusst unter anderem Hormonausschüttung und Stoffwechselprozesse, so auch den Schlaf-Wach-Rhythmus. Er signalisiert dem Körper, durch die Ausschüttung des Hormons Melatonin, schlafen zu müssen. Doch nicht allein Melatonin macht uns müde. Unsere Zellen arbeiten den ganzen Tag auf Hochtouren und brauchen Energie. Dabei entsteht Adenosin. Je länger der Tag dauert, desto mehr Adenosin sammelt sich im Körper. Und je mehr Adenosin im Körper ist, desto höher wird der Schlafdruck und wir werden müde. Während des Schlafens wird das Adenosin dann wieder abgebaut, der Schlafdruck sinkt über die Nacht. Wenn wir aufwachen, beginnt der Prozess wieder von vorne (Birbaumer & Schmidt, 2010).

 

Was passiert bei fehlendem Schlaf - Schlaf als Symptom


Man kann verschiedene Arten von Schlafstörungen unterscheiden: Insomnien, Hypersomnien, Parasomnien, Schlaf-Wach-Rhythmus-Störungen oder motorische Störungen wie das Restless-Leg-Syndrom (Spiegelhalder, Backhaus & Riemann, 2011). Zwischen 2010 und 2017 ist die Zahl der Schlafstörungen bei Berufstätigen um 66% gestiegen, etwa jede zehnte Person leidet an insomnischen Beschwerden (DAK, 2017). Dazu gehören Einschlafstörungen, Durchschlafstörungen und nicht erholsamer Schlaf.
Wer kennt es nicht: man hat Stress auf der Arbeit, schläft nicht gut und ist am nächsten Tag auf der Arbeit nicht leistungsfähig - ein Teufelskreis. Dass das unserem Organismus nicht gut tun kann, scheint logisch, aber was genau sind denn die Folgen von Schlafstörungen? Schlafen wir nicht gut, kann das zu einer erhöhten Einschlafgefahr, fehlender Energie und Motivation, Anspannung, Kopfschmerzen, Verstimmungen und Konzentrationsstörungen führen (DAK, 2017). Und auch psychische Störungen können sich in Folge von Schlafmangel verschlechtern (Crönlein et al., 2017). Schlafqualität und auch eine genaue Erhebung von Schlafproblemen sind daher ein wichtiger Bestandteil der Befunderhebung vor der Neurofeedback-Therapie.

schlafen
Schlaf als Symptom - Wie Neurofeedback helfen kann 


Neurofeedback kann generell bei verschiedenen Schlafproblemen eingesetzt werden, denn Schlafprobleme treten oft als Symptom anderer Krankheiten auf. Schlaf ist dabei gerade zu Beginn der Neurofeedback-Therapie ein wichtiger Indikator, um geeignete Anfangspositionen für das ILF Neurofeedback festzulegen. So macht es einen Unterschied, ob Patient:innen eher Schwierigkeiten beim Einschlafen haben oder eher Probleme mit dem Durchschlafen, also eine bessere Regulierung der Schlafphasen benötigen. Auch eine Kombination aus beiden kann vorliegen und beeinflusst, mit welchen Elektrodenpositionen man beim ILF Neurofeedback startet. 

Darüber hinaus sind Schlafstörungen ein gut beschreibbares Symptom, das bei vielen Betroffenen einen hohen Leidensdruck auslöst, da die Auswirkungen im Alltag spürbar sind. Schlaf ist daher meist auch ein Symptom, bei dem erste Behandlungserfolge mit ILF Neurofeedback schnell sichtbar werden können. “Endlich mal wieder” Ein- oder Durchschlafen zu können, bringt für viele Patient:innen eine deutliche Verbesserung in den Alltag.

Auch Studien untermauern die positiven Effekte des Neurofeedbacks auf Schlafstörungen. So berichteten Proband:innen von einer subjektiven Verbesserung ihrer Schlafqualität und besseren Leistungsfähigkeit am Tag (Hammer et al, 2011; Schabus et al., 2013). Neurofeedback kann zudem die Schlaf-Latenzen, also die Zeit, die man vom Hinlegen bis zum tatsächlichen Einschlafen benötigt,  minimieren (Wu et al., 2021). Eine weitere Studie zeigt, dass Schlafprobleme bei Burnout Patient:innen verbessert werden konnten (Kratzke et al., 2020). 

Gerade auch ADHS Patient:innen berichten immer wieder von Schlafproblemen. Eine Verbesserung dieser Probleme konnte durch SMR Neurofeedback Training festgestellt werden (Arns, Feddema & Kenemans, 2014). Eine Erklärung dafür wird in einem Übersichtsartikel von Arns & Kenemans (2014) gegeben, in dem die Auswirkungen von Neurofeedback auf die sogenannte Schlafspindelschaltung diskutiert werden. Eine erhöhte Schlafspindeldichte führt zu einer Normalisierung der Schlaflosigkeit, was wiederum die ADHS-Symptome reduziert. “In einer […] randomisierten, kontrollierten Studie wurden 27 gesunde Erwachsene mit SMR-Konditionierung trainiert, um den Schlaf und das deklarative Lernen zu verbessern. Nach 10 Sitzungen konnten positive Veränderungen bei Schlafparametern wie Schlafspindeln und Einschlaflatenz beobachtet werden” (Übersetzung der Autorin, Hoedlmoser et al., 2008).

Auch bei einer Patientin, die mit ILF Neurofeedback im Virtual Reality Setting behandelt wurde, konnten die Schlafprobleme verbessert werden. Diese Verbesserungen hielten auch nach einem einjährigen Follow-up an. (Orakpo et al., 2021). Bei einem anderen Fallbeispiel konnte durch die Behandlung mit dem ILF Neurofeedback im Virtual Reality Setting die schmerzbedingte Schlaflosigkeit eines Patienten verbessert werden. Auch hier wurde die nachhaltige Verbesserung nach einem Jahr bestätigt (Orakpo et al., 2022).

Neurofeedback kann, basierend auf aktueller Forschung und auf Basis von klinischen Erfahrungswerten, ein sinnvoller Therapiebaustein in der Behandlung von Schlaflosigkeit oder Symptomen von gestörtem Schlaf sein. Gemeinsam mit anderen Forscher:innen arbeiten wir derzeit an der Unterstützung weiterer Neurofeedback-Studien. 

Für ausführliche Informationen zu Neurofeedback sowie zu wissenschaftlichen Arbeiten wenden Sie sich gerne an uns. 

 

 

 

 

 

Quellen:
Arns, M., Feddema, I. & Kenemans, J. L. (2014) Differential effects of theta/beta and SMR neurofeedback in ADHD on sleep onset latency. Front. Hum. Neurosci. 8, 1–10.


Birbaumer, N., Schmidt, R. (2010) Wach-Schlaf-Rhythmus und Aufmerksamkeit, in: Schmidt, R. F.,Lang, F.,Heckmann, M. (Hrsg.), Physiologie des Menschen, 31., überarbeitete und aktualisierte Auflage, Heidelberg, Springer Medizin-Verlag, 181–200.


Crönlein T, Galetke W, Young P. (2017) Schlaf und Schlafmedizin – Grundlagen. In: Crönlein T, Galetke W, Young P, Hrsg. Schlafmedizin 1×1. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin, Heidelberg.


Hammer, B. U., Colbert, A. P., Brown, K. A. & Ilioi, E. C. (2011). Neurofeedback for insomnia: A pilot study of Z-score SMR and individualized protocols. Appl. Psychophysiol. Biofeedback 36, 251–264.


Hirshkowitz, M., Whiton, K., Albert, S. M., Alessi, C., Bruni, O., DonCarlos, L., Hazen, N., Herman, J.,


Katz, E. S., Kheirandish-Gozal, L., Neubauer, D. N., O'Donnell, A. E., Ohayon, M., Peever, J., Rawding, R., Sachdeva, R. C., Setters, B., Vitiello, M. V., Ware, J. C., Adams Hillard, P. J. (2015) National Sleep Foundation's sleep time duration recommendations: methodology and results summary. Sleep health 1, 1, 40–43.


Hoedlmoser, K., Pecherstorfer, T., Gruber,G., Anderer, P., Doppelmayr, M., Klimesch, W., Schabus, M. (2008) Instrumental Conditioning of Human Sensorimotor Rhythm (12-15 Hz) and Its Impact on Sleep as Well as Declarative Learning. SLEEP 31, 1401–1408.


Kratzke, I. M., Campbell, A., Yefimov, M. N., Mosaly, P. R., Adapa, K., Meltzer-Brody, S., Farrell, T. M., Mazur, L. M. (2020) Pilot Study Using Neurofeedback as a Tool to Reduce Surgical Resident Burnout. Journal of the American College of Surgeons 232, 74-80.


Marschall, J., Hildebrandt, S., Sydow, H., Nolting, H.-D. (2017) Gesundheitsreport 2017. Analyse der Arbeitsunfähigkeitsdaten. Update: Schlafstörungen, 1. Auflage, Heidelberg, Neckar, medhochzwei Verlag.


Orakpo, N., Vieux, U. & Castro-nuñez, C. (2021) Case Report : Virtual Reality Neurofeedback Therapy as a Novel Modality for Sustained Analgesia in Centralized Pain Syndromes. Front. Hum. Neurosci 12, 3–7.


Orakpo, N., Yuan, C., Olukitibi, O., Burdette, J., Arrington, K. (2022) Does Virtual Reality Feedback at Infra-Low Frequency Improve Centralized Pain With Comorbid Insomnia While Mitigating Risks for Sedative Use Disorder?: A Case Report. Front. Hum. Neurosci 16, 1-5.


Schabus, M., Heib, D. P. J., Lechinger, J., Griessenberger, H., Klimesch, W., Pawlizki, A., Kunz, A. B., Sterma, B. M., Hoedlmoser, K. (2013) Enhancing sleep quality and memory in insomnia using instrumental sensorimotor rhythm conditioning. Biol. Psychol. 95, 126–134.


Spiegelhalder, K., Backhaus, J. & Riemann, D. (2011) Schlafstörungen (2. Aufl.). Hogrefe eLibrary: Band 7. Hogrefe.


Wu, Y., Fang, S., Chen, S., Tai, C. & Tsai, P. (2021) Effects of Neurofeedback on Fibromyalgia : A Randomized Controlled Trial. Pain Manag. Nurs. 21, 755-763.

Neurofeedback als Therapiebaustein bei Autismus Spektrum Störungen (ASS)

11. Juni 2022
Was ist ASS?

Unter Autismus-Spektrum-Störung (ASS) wird eine tiefgreifende Entwicklungsstörung mit Beginn im (Klein-) Kindesalter verstanden. Diagnosekriterien bilden Defizite der sozialen Kommunikation und Interaktion, eingeschränkte repetitive Verhaltensmuster wie unflexibles Festhalten an Routinen und Hyper-/ oder Hypoaktivität auf sensorische Reize. Häufig sind unter anderem Funktionen von Sprache, visuell räumliche Fertigkeiten und Bewegungskoordination von Entwicklungseinschränkungen oder -verzögerungen betroffen. Der Begriff der Spektrum-Störung zeigt an, dass verschiedene Formen autistischer Erkrankungen unterschieden werden können, bekannt sind vor allem frühkindlicher Autismus, atypischer Autismus und das Asperger-Syndrom. 


Die Angabe einer Prävalenz für ASS ist nicht trivial, da es weder einheitliches Vorgehen noch Kriterien gibt, außerdem nicht für alle Regionen weltweit Zahlen vorliegen. Möglicherweise kann eine Prävalenz von ca. 1.5% für ASS in Industrienationen geschätzt werden (siehe 1). Das klinische Erscheinungsbild einer ASS verändert sich dabei über die Lebensspanne vom Kleinkind- bis zum Erwachsenenalter erheblich, sowohl in Kernsymptomen als auch möglichen Kompensationsstrategien. 

 

Neurofeedback als Therapiebaustein bei ASS

 

Neurofeedback kann bei Betroffenen des Autismus Spektrum als ein Baustein der Therapie zum Einsatz kommen. Aus zahlreichen Forschungen zur Neurophysiologie bei Autismus Spektrum Störungen ist unter anderem kürzlich hervorgegangen, dass Autisten andere Konnektivitäts-Netzwerke und spezifische Regionen von Hyper- und Hypokonnektivität aufweisen als gesunde Probanden der Vergleichsgruppe (siehe 2). Andere Theorien, wie die zur veränderten Aktivität der Spiegelneurone, oder Hypothesen zur Theorie of Mind und die Polyvagal-Theorie, unterstreichen ebenfalls neurologische Unterschiede.
Bei Neurofeedback wird der Ansatz verfolgt, fehlregulierte Hirnaktivität zu verändern. Aus Studien ist bekannt, dass die Muster des Ruhe-EEGs sowie evozierte Potentiale bei Patient*innen aus dem Spektrum von denen gesunder Menschen abweichen. Dass Neurofeedback einen Effekt auf das Gehirn hat, ist in einer kürzlich veröffentlichten Studie bestätigt worden. Die funktionale Konnektivität (Kommunikation zwischen den Neuronen) im Gehirn von Proband*innen wurde mit fMRT vor und nach einer 30-minütigen Neurofeedback Sitzung untersucht. Im Anschluss an die Neurofeedback Sitzung fand sich eine erhöhte Konnektivität von Nervenzellen im Gehirn (siehe 3). Aus diesen Ergebnissen lässt sich unter anderem ableiten, dass Neurofeedback sich nicht nur positiv auf die Symptome von Erkrankungen auswirkt, sondern auch Effekte im Gehirn hervorrufen kann und somit womöglich nachhaltig Konnektivitätsmuster wie sie zum Beispiel bei chronischen Schmerzen auftreten, verändern kann. Diese Ergebnisse stützen die Hypothese von Neurofeedback als Methode der Verbesserung der Selbstregulationsfähigkeit im Gehirn.

  

Stand der Forschung: Neurofeedback bei ASS


Aufgrund der funktionellen neuroanatomischen Auffälligkeiten kann Neurofeedback eine wirksame Behandlungsmethode zur Reduktion der Symptome der Fehlregulieren darstellen (siehe 4). 
In einer kontrollierten Studie verbesserten ASS-Patient*innen mit einer Neurofeedback Behandlung ihre Symptome nach 20 Sitzungen deutlich; es fand sich auch eine Reduktion zerebraler Hyperkonnektivität, welche die eingangs genannten Wirkhypothesen stärkt (siehe 5).
Es zeigt sich auch, dass Neurofeedback in Kombination mit anderen Behandlungsmethoden eine Möglichkeit darstellt, um die Leistungsfähigkeit der Patienten zu verbessern (siehe 6). 
Vorhergehende Arbeiten (siehe 7) und ein aktuelles Review der existierenden Literatur kommt zu dem Schluss, Neurofeedback sei eine vielversprechende Behandlungsmethode für Autismus und führt die Auswertung zahlreicher Studien und Fallberichte an (siehe 8). Es wird jedoch auch darauf hingewiesen, dass weitere, insbesondere kontrollierte und randomisierte Untersuchungen durchgeführt werden sollten, um weitere Details der Behandlungskonditionen zu evaluieren.


Literatur
1. Fombonne, E. (2018). The rising prevalence of ASS. Journal of Child Psychology and Psychiatry, 59, 717-720.
2. Holiga, s. et al. (2019). Patients with autism spectrum disorders display reproducible functional connectivity alterations. Science Translational Medicine, 11, eaat9223.
3. Dobrushina, O. R. et al. (2020). Modulation of Intrinsic Brain Connectivity by Implicit Electroencephalographic Neurofeedback. Front. Hum. Neurosci. 14, 1–13.
4. Thompson, L., Thompson, M. & Reid, A. (2010). Functional neuroanatomy and the rationale for using EEG biofeedback for clients with Asperger’s syndrome. Appl. Psychophysiol. Biofeedback, 35, 39–61.
5. Coben, R. & Padolsky, I. (2008). Assessment-Guided Neurofeedback for Autistic Spectrum Disorder. J. Neurother. 11, 37–41.
6. Knezevic, B., Thompson, L. & Thompson, M. (2010). Pilot Project to Ascertain the Utility of Tower of London Test to Assess Outcomes of Neurofeedback in Clients with Asperger’s Syndrome. J. Neurother. Investig.Neuromodulation, 14, 3–19.
7. Coben, R., Linden, M., & Myers, T. E. (2010). Neurofeedback for autistic spectrum disorder: a review of the literature. Applied psychophysiology and biofeedback, 35, 83.
8. Van Hoogdalem, L. E. et al. (2020). The Effectiveness of Neurofeedback Therapy as an Alternative Treatment for Autism Spectrum Disorders in Children: A Systematic Review. Journal of Psychophysiology.
 

“Eltern (...) berichten mir, dass Neurofeedback ihrem Kind im Alltag hilft” - Ein Interview mit der Stiftung Kind und Autismus

01. April 2022

In einem Gespräch mit Frau Hildebrand, Leiterin des Kurswesen step-by der Stiftung Kind und Autismus, hat sie uns nicht nur mehr über die Stiftung und deren Kurswesen erzählt, sondern auch unsere Fragen zu Neurofeedback vor allem im Zusammenhang mit Autismus bei Kindern beantwortet. 

Liebe Frau Hildbrand, vielen herzlichen Dank, dass Sie sich Zeit für uns nehmen. Was genau macht die Stiftung Kind und Autismus?

 

Die Stiftung Kind und Autismus ist das Kompetenzzentrum für Kinder Jugendliche mit Autismus in Urdorf im Kanton Zürich. Sie entstand auf Initiative von betroffenen Eltern, die 1975 eine Tagessonderschule für Kinder mit Autismus gründeten. Seither hat sich die Organisation stets weiterentwickelt und als Kompetenzzentrum auch überregional mit einem breiten Angebot für Familien, in denen Autismus-Spektrum ein Thema ist, etabliert. Neben einem Sonderschulheim mit einer Tagessonderschule, einem Internat und Fahrdienst, einer Beratungsstelle und den Frühbereich betreiben wir auch einen Hilfsmittelshop und das Kurswesen step-by.

Wir pflegen einen regen Austausch mit fachlich verwandten Schulen, Beratungs- und Fachstellen im In- und Ausland. Darüber hinaus sensibilisieren wir die Öffentlichkeit für das Thema Autismus. 

Die Stiftung Kind und Autismus beschäftigt rund 100 Mitarbeitende. Sie ist nicht gewinnorientiert und unsere Arbeit finanziert sich durch Beiträge von Bund, Kantonen und Gemeinden, durch Beratungen und Kursangebote für Betroffene, Familien und Institutionen sowie durch Spenden.

 


Sie haben bereits das Kurswesen step-by erwähnt, dessen Leiterin Sie ja auch sind. An wen richtet sich das Fortbildungsangebot und was ist das Ziel des Angebotes?

 

Das Kurswesen step-by wurde im Jahr 2004 von unserer Stiftung gegründet und bietet ein großes Angebot an Weiterbildungen, Schulungen und Referaten rund um das Thema Autismus-Spektrum.  Es richtet sich an Fachpersonen aus den Bereichen Pädagogik, Agogik, Therapie, Medizin und - je nach Kurs - auch an Eltern und Begleitpersonen, die mit Menschen mit Autismus-Spektrum zusammenleben oder arbeiten. Das Angebot wird sehr gut angenommen und wir merken einfach, dass der Bedarf an Weiterbildungen zum Thema weiter steigt. Wir bieten daher auch für Schulen, Institutionen und andere Stiftungen individuelle Weiterbildungen und Kurse an, die spezifisch auf deren Bedarf und Themen abgestimmt sind. Mit diesem Angebot wollen wir auch etwas von unserer langjährigen Erfahrung weitergeben.

 


Neu im Kursprogramm ist erstmals der Grundkurs Neurofeedback, der Ende September 2022 stattfinden wird. Warum haben Sie sich entschieden Neurofeedback in Ihr Kursprogramm aufzunehmen?

 

Autismus äußert sich je nach Schweregrad und Ausprägung unterschiedlich und kann verschiedene Symptome umfassen. Dazu zählen Rückzug in eine eigene Gedankenwelt, Vermeidung von Kontakt zur Umwelt, Störungen beim Sprechen und in der Motorik, geringes Einfühlvermögen in Emotionen und Bedürfnisse anderer, stereotype Bewegungen und Verhaltensweisen sowie Vermeidung von Körperkontakt. Neurofeedback kann eine erstaunliche Wirkung bei der Behandlung dieser Begleitsymptome von Autismus erzielen.
Autismus ist nicht ursächlich heilbar, kann aber in der Stärke der Ausprägung therapeutisch behandelt werden. So unterschiedlich wie sich die Auswirkungen zeigen, so flexibel muss sich die Behandlung individuell an die Patientin bzw. an den Patienten anpassen. Zu den Bausteinen eines verhaltenstherapeutischen Behandlungsplans kann daher auch Neurofeedback zählen. Wir freuen uns darauf, den Kurs erstmals auch bei uns anbieten zu können.

 


Was sind Ihre Erfahrungen mit Neurofeedback?

 

Eltern, die ich berate und unterstütze, berichten mir, dass Neurofeedback ihrem Kind im Alltag hilft. Zum Beispiel Angst oder Wut können sich einpendeln, das Kind wird gelassener, ruhiger oder kann sich selbst besser spüren. Das Kind, die oder der Jugendliche, aber auch die Eltern, können so mehr Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl entwickeln. Es hilft ihnen dabei, sich mental zu entspannen, so dass sie sich besser konzentrieren und positiver mit ihrer Umwelt interagieren können. 

 


Einmal jährlich veranstalten Sie das sogenannte Autismus-Forum. Was sind Inhalte und Ziele und was ist für dieses Jahr geplant?

 

Unser Autismus Forum bietet eine beliebte Plattform zum Thema Autismus. Wir ermöglichen die Vernetzung und den Austausch für Fachpersonen, Institutionen, Entscheidungsträgerinnen und -träger, im Autismus-Bereich tätige Personen sowie Interessierte. Das Programm deckt eine breite und aktuelle Themenvielfalt ab von der frühen Kindheit bis ins Erwachsenenalter. Als Referentinnen und Referenten können wir jeweils national und international ausgewiesene Fachleute begrüssen. Das diesjährige Forum findet am 11. November 2022 statt. Das Programm und die Einladung werden demnächst auf unserer Website www.kind-autismus.ch veröffentlicht.

 


Der Neurowissenschaftler Dr. Ned Sahin war ein Impulsgeber des 16. Autismus-Forum und sagte “I think I see the amazing hope that the right technology, the right neuroscience and the right humanistic approach can have for this set of potentially 70 million people”. Meinen Sie Neurofeedback kann hier einen Beitrag leisten?

 

Wir denken schon. Es ist natürlich noch ein weiter Weg. Von flächendeckenden Angeboten für Familien sind wir natürlich noch entfernt, aber einerseits nimmt das öffentliche Interesse an Autismus Spektrum zu und Familien finden Anlaufstellen. Auch wir arbeiten ja gerade auch durch unser Kursangebot daran mehr Kompetenzen und auch Netzwerke aufzubauen. Auf der anderen Seite gibt es immer mehr wissenschaftliche Erkenntnisse und auch neue technologische Ansätze, die Kinder und Jugendliche fördern und auch deren Umfeld positiv unterstützen.
All diese Entwicklungen greift ineinander. Gerade auch im Neurofeedback sehen wir Potential und ich hoffe, dass Neurofeedback als ein Baustein von verschiedenen Methoden und Ansätzen viele Betroffene im Alltag unterstützen kann. 

 


Über die Stiftung Kind und Autismus

 

Die Stiftung Kind und Autismus wurde im Jahr 2000 gegründet und geht zurück auf den Verein Wehrenbach zur Förderung autistischer und anderer wahrnehmungsbehinderter Menschen, einer 1975 gegründeten Elternvereinigung. Seit ihrer Gründung betreibt die Stiftung eine Tagessonderschule mit angeschlossenem Wohnhaus für aktuell 56 Kinder und Jugendliche zwischen 4 und 18 Jahren. Die Schule untersteht der Aufsicht der Bildungsdirektion des Kantons Zürich.
Seit 1994 betreibt die Stiftung zudem eine Autismus-Beratungsstelle, die Kinder und Jugendliche mit Autismus-Spektrum-Störung (ASS) sowie deren Familien und das erweiterte Umfeld unterstützen. Abgerundet wird das Angebot der Stiftung vom Kurswesen step-by, das Eltern, Fachleuten und weiteren interessierten Personen Kurse zum Thema ASS anbietet und jährlich ein Autismus-Forum durchführt.

 

Kontakt zum Kurswesen step-by


step-by
Frau Alberta Hildbrand
Schönenwerdstrasse 7
8902 Urdorf
Tel.: 044 736 50 70
E-Mail: step-by@kind-autismus.ch
 

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