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Zum Welt-Ergotherapie-Tag am 27.10.2020 - “Neurofeedback macht den Arbeitsalltag spannender”

27. Oktober 2020

Zwar entwickelt sich Neurofeedback in immer mehr ergotherapeutischen Praxen zum festen Behandlungsbaustein. Viele Ergotherapeut*innen zweifeln aber auch, ob das “technische” Neurofeedback überhaupt in den Arbeitsalltag passt. Dabei ist die Ergotherapie eine Disziplin, in der Neurofeedback im Rahmen der zur Verfügung stehenden Heilmittel sogar abgerechnet werden kann. Im Interview zum Welt-Ergotherapie-Tag berichtet unser Dozent Thomas Theis u.a. darüber, was ihn an Neurofeedback begeistert, wie sich Neurofeedback in die Ergotherapie integrieren lässt und warum gerade Ergotherapeut*innen die perfekten Voraussetzungen für Neurofeedback mitbringen.

World Occupational Day

Thomas, warum bist du Ergotherapeut geworden?

Ich bin über persönliche Erfahrungen zur Ergotherapie gekommen. Als junger Erwachsener habe ich mir eine komplexe Verletzung am Arm zugezogen - für mich als Musiker eine Katastrophe. Ich war länger in Behandlung und habe viele Therapien ausprobiert, aber wirklich besonders geholfen hat mir die Ergotherapie. In der Ergotherapie wurde ich mit Spaß dazu gezwungen, meinen Arm wieder zu benutzen - nicht wie in der Krankengymnastik für Dehnung oder Übungen - sondern zu alltäglichen Dingen wie Darts spielen, flechten, Karten mischen, die mir als junger Mensch auch viel Spaß gemacht haben. Da erlebte ich wirklich einen Aha - Moment: mir wurde klar, dass mein Zustand sich nicht verbessern wird, wenn ich meine Hand nicht benutze und dieses Wissen hat dann meinen Spaß an der Ergotherapie geweckt. 

 

Was liebst du an deinem Beruf? 

Es gibt da diesen Spruch auf Kaffeetassen “Ich bin Ergotherapeut geworden, weil Superheld kein Beruf ist.” Das ist lustig und irgendwo fühle ich auch so. Für mich gibt es eigentlich nichts, was diesem Beruf fehlt. Ergotherapie ist geprägt von Vielseitigkeit, Komplexität und Individualität. Als Ergotherapeut*in muss ich mit einem wachen Blick meine Patient*innen betrachten, ich muss herausfinden, wo Probleme bestehen und mit ihnen zusammen lösungsorientiert arbeiten. Dabei machen nicht nur die Patient*innen Fortschritte, auch als Ergotherapeut*in wächst man und entwickelt sich auf allen Ebenen weiter. Ergotherapeut*in ist ein sinnvoller und helfender Beruf, der unheimlich viel Spaß macht. Außerdem war die unternehmerische Selbstständigkeit immer mein großes Ziel - meine zwei Praxen zu leiten ist für mich die Erfüllung dieses Ziels. 

 

Was sind deine größten Herausforderungen?

Aktuell steht der Umzug meiner beiden Praxen als größte logistische Herausforderung an. Auch die Pandemie hat uns natürlich vor Probleme gestellt, die wir aber zunehmend gemeinsam bewältigen. Mit einem großen Team in der Praxis wird es nie langweilig, wir haben außerdem eine lange Warteliste. Die Therapie läuft immer weiter und den Patient*innen wird volle Aufmerksamkeit geschenkt. Die Behandlung einzelner Patient*innen kann auch herausfordernd sein: Gerade kombiniere ich Neurofeedback und lösungsorientierte Gespräche in der Behandlung einer stark traumatisierten Patientin, das ist sehr spannend.

 

Wie lässt sich Neurofeedback in die Ergotherapie integrieren? 

Neurofeedback kann sich in der Ergotherapie als Mittel der Wahl darstellen, um das ärztlich verordnete Therapieziel zu erreichen. Auch eine Kombination von Neurofeedback mit anderen therapeutischen Methoden ist möglich, um Patient*innen so zu einer nachhaltigen Verbesserung der Alltagskompetenz zu verhelfen. Es ist natürlich zu bedenken, dass die einzelnen Neurofeedback Verfahren sich dabei voneinander unterscheiden. Methoden wie das Infra Low Frequency (ILF) Neurofeedback, die dazu beitragen, die Selbstregulierungsfähigkeit zu verbessern, sind aus meiner Sicht dabei besonders gut geeignet. Und das weiß ich, weil ich sie sehr gut kenne. Sie helfen dabei, alltagsrelevantes Verhalten nachhaltig zu verbessern und sind somit, als ressourcenbezogener Ansatz, ganz besonders für die Ergotherapie geeignet. Ich setze Neurofeedback inzwischen bei sehr vielen Krankheitsbildern ein und auch die Patient*innen haben großes Interesse an der Methode. 

 

Bringen Ergotherapeut*innen die richtigen Voraussetzungen für eine Neurofeedback Ausbildung mit? 

Aus meiner Sicht bringen Ergotherapeut*innen die perfekten Voraussetzungen für das Neurofeedback mit. Gerade im symptombasierten ILF Neurofeedback ist es zentral, die Patient*innen genau klinisch zu beobachten und vor allem auf die Körperphysiologie zu achten, um Anzeichen von Anspannung und Entspannung zu erkennen. Die komplette Physiologie spielt eine Rolle. Man muss Atmung, Mimik, Innenrotation und Außenrotation erkennen und das Behandlungsprotokoll entsprechend anpassen. Ergotherapeut*innen sind hierin in der Regel sehr geübt und deshalb eine sehr wichtige Berufsgruppe für Neurofeedback. 

 

Was würden Sie Ergotherapeut*innen raten, die sich überlegen mit Neurofeedback zu arbeiten? 

Mein Tipp an Ergotherapeut*innen, die Neurofeedback anbieten möchten lautet: achtet auf eine gute und fundierte Ausbildung, startet langsam und probiert euch aus, bevor ihr mit der Behandlung von komplexen Krankheitsbildern beginnt. Nutzt Angebote zur Fort- und Weiterbildung sowie Supervision bei erfahrenen Kolleg*innen. 

Neurofeedback ist ein Instrument, dass den Arbeitsalltag spannender und abwechslungsreicher machen kann. Auch Kolleg*innen, die zunächst vielleicht Vorbehalte gegen technische Geräte in der Therapie haben, arbeiten jetzt gerne mit Neurofeedback. 

Es hält auch die Therapeut*innen geistig fit, weil man ständig einen analytischen Blick auf die Patienten behält und kleine physiologische Veränderungen schnell registrieren muss. Mir selber macht die Arbeit mit Neurofeedback wahnsinnig viel Spaß und ich kenne auch viele Kolleg*innen, die es gerne als Ergänzung ihrer Therapiemethoden in der Ergotherapie aufnehmen. 



 

Mehr über Thomas Theis finden Sie in seinem Dozentenprofil.

Das Interview wurde geführt von Jennifer Riederle, Psychologin bei BEEMedic