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Neurofeedback - Was bringt das Training für das Gehirn bei Stress und mentalen Erkrankungen?

30. März 2021

Stress und mentale Belastungen kennen wir alle von Zeit zu Zeit. Psychische Belastungen nehmen jedoch zu - gerade auch jetzt in der Pandemie. 

Wie Neurofeedback hier helfen kann, können Sie in einem kurzem Beitrag lesen, der in der Sonderbeilage "Kopfsache" der Ausgabe Nr. 75 der Tageszeitung "WELT" am 30. März 2021 erschienen ist.

Die Sonderbeilage widmet sich u.a. folgender Schwerpunktthemen:

  • Was macht die Isolation mit unserer Psyche?
  • Wie stärke ich mein Immunsystem?
  • Wie kann man Depressionen und Erschöpfung vorbeugen?
  • Und mentale Gesundheit stärken?

Der Artikel mit dem Titel "Neurofeedback: Was bringt das Training für das Gehirn bei Stress und mentalen Erkrankungen?", adressiert vor allem Interessenten, die Neurofeedback noch nicht kennen, für die aber das Training mit dem Gehirn eine interessante Option sein kann.

Vor dem Hintergrund, dass gerade auch in der Pandemie psychische Belastungen, Depressionen und Stress im Lockdown altersübergreifend zunehmen, wird Neurofeedback als entspannte und ruhige Therapiemethode veranschaulicht, die gerade auch bei mentalen Belastungen helfen kann u.a. Stimmung und Schlaf zu verbessern und sich "im Kopf aufgeräumter" zu fühlen.

Artikel "Neurofeedback: Was bringt das Training für das Gehirn bei Stress und mentalen Erkrankungen"

Den vollständigen Beitrag können Sie hier auch herunterladen.

Viele hilfreiche Informationen zu Neurofeedback finden Patienten auch auf der Webseite des Neurofeedback Netzwerks. Ein Projekts, welches wir seit seiner Gründung 2011 fördern.

Maike Pellarin-Schlingensiepen

Dr. med. Maike Pellarin-Schlingensiepen

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Ich biete Einzelsupervisionen nur für schwierige kinder- und jugendpsychiatrische Fälle an. Bitte kontaktieren Sie mich in diesem Fall.

Sprachen: Deutsch, Englisch

Was ist Neurofeedback?

10. Oktober 2020

Neurofeedback ist eine Therapiemethode, die – ähnlich wie Biofeedbackmethoden – darauf beruht, physikalische Körperfunktionen zu erfassen und diese in Echtzeit durch geeignete Signale zurückzumelden. Da es beim Neurofeedback um das Gehirn geht, sind es hier EEG-Signale, die man für das Feedback nutzt. Neurofeedback wird vor allem in der Therapie eingesetzt, um die Selbstregulierungsfähigkeit zu verbessern. 

Biofeedback


 
Beim Biofeedback werden Körperfunktionen wie unter anderem der Puls, Hautleitwert oder auch Muskelspannung durch Sensoren erfasst und in Echtzeit durch Töne, Bilder oder Animationen erfahrbar gemacht. So können Fehlhaltungen, die zu schmerzhaften Verspannungen führen vermieden werden indem kontinuierlich die Muskelspannung erfasst wird und beispielsweise ein Ton daran erinnert, wieder eine korrekte Haltung einzunehmen. Mit der Zeit wird so trainiert, Körperfunktionen auf einem bestimmten Aktivitätsniveau zu halten oder dieses auch gezielt zu verändern.

 


Neurofeedback – Verbesserung der Selbstregulierungsfähigkeit des Gehirns


Beim Neurofeedback werden nun keine muskulären Körperfunktionen trainiert, sondern die Selbstregulierungsfähigkeit des Gehirns. Dazu werden an der Kopfoberfläche EEG-Signale abgeleitet. Auf Basis einer gründlichen Erhebung der Symptome des Patienten, werden bestimmte Frequenzbereiche der Gehirnaktivität gemessen und ausgewertet, um in Echtzeit das Feedback in Form einer Animation auf einem Bildschirm zu steuern. So bewegt sich beispielsweise eine Animation schneller, das Bild wird klarer oder eine Melodie hörbar. Durch diesen kontinuierlichen Prozess können Patienten lernen ihre Selbstregulationsfähigkeit zu verbessern. Insbesondere bei psychischen Erkrankungen können so oftmals damit verbundene begleitende Stresssymptome, Schlafstörungen oder Störungen des Aufmerksamkeits- und Konzentrationsspektrums deutlich verbessert werden. 
 
Neurofeedback wird bei den verschiedensten Indikationen erfolgreich eingesetzt, angefangen mit Epilepsie und ADHS, hin zu Angststörungen, Migräne, Tinnitus und Autismus. Dies ist nur ein kleiner Auszug aus einer langen Listen von möglichen Anwendungsgebieten. 


 
Verweis auf weiterführende Artikel


 
Tan, G. et al. Meta-Analysis of EEG Biofeedback in Treating Epilepsy. Clin. Eeg Neurosci. 40, 1–8 (2009).
Arns, M., Ridder, S. de, Strehl, U., Breteler, M. & Coenen, A. Wirksamkeit der Neurofeedbackbehandlung bei ADHS : Auswirkungen auf Unaufmerksamkeit , Impulsivität und Hyperaktivität : eine Metaanalyse. Dtsch. Verband der Ergotherapeuten (2010).
Moore, N. C. A Review of EEG Biofeedback Treatment of Anxiety Disorders. Clin. EEG Neurosci. 31, 1–6 (2000).
Walker, J. E. QEEG-Guided Neurofeedback for Recurrent Migraine Headaches. Clinical EEG and Neuroscience 42, 59–61 (2011).
Stokes, D. A. & Lappin, M. S. Neurofeedback and biofeedback with 37 migraineurs: A clinical outcome study. Behav. Brain Funct. 6, 1–10 (2010).
Güntensperger. Treatment of chronic tinnitus with neurofeedback. (2018). doi:10.5167/uzh-158283
Holtmann, M. et al. Neurofeedback in autism spectrum disorders. Dev. Med. Child Neurol. 53, 986–993 (2011).
 

Studie zeigt: ILF Neurofeedback führt zur signifikanten Verbesserung von Impulskontrolle und Aufmerksamkeit bei Kindern mit ADHS

22. März 2021

Im Rahmen der Studie - die in Kooperation mit dem Neurofeedback Netzwerk und einer Gruppe von kinder- und jugendpsychiatrischen Praxen in München durchgeführt wurde - erhielten 251 AD(H)S-PatientenInnen Neurofeedback. Vor Beginn und nach Beendigung der Therapie erfolgte eine Aufmerksamkeitstestung. Ein Vergleich der Testergebnisse zeigt, dass Aufmerksamkeit und Impulskontrolle sich signifikant verbesserten, ebenso berichten die PatientenInnen eine Verbesserung der AD(H)S Symptome. 

Ein ausführlicher Artikel zu der Studie ist im Mai 2020 in “neue AKZENTE” Heft Nr. 115 (ADHS Deutschland e.V.) erschienen. 

Zitation: Mackert, J. (2020). Neurofeedback bei AD(H)S – mit ILF-Neurofeedback die Aufmerksamkeit verbessern. neue AKZENTE 115(1), 8-12. 
PDF Version über Researchgate 

 

Die Diagnose AD(H)S


Etwa fünf Prozent der Kinder im schulpflichtigen Alter leiden unter AD(H)S. Sie zeigen  situationsübergreifend Symptome von Unaufmerksamkeit, Impulsivität und ggf. Hyperaktivität, die zum Teil erheblichen Leidensdruck verursachen. In der Regel ist diese Erkrankung auch mit funktionellen Beeinträchtigungen assoziiert und es kommt insbesondere in den Bereichen Schule und Ausbildung häufig zu Problemen. Betroffene und deren Eltern sind auf der Suche nach effektiven Behandlungsmethoden, insbesondere solchen, die ohne den Einsatz von Psychopharmaka anhaltende Behandlungserfolge bringen. 

 

AD(H)S und Neurofeedback


Da neurologische und psychiatrische Erkrankungen mit spezifischen Veränderungen in der Gehirnaktivität einhergehen (Hammond, 2019), kann Neurofeedback - eine nichtinvasive EEG-basierte und computergestützte Therapiemethode - eine sinnvolle Behandlungsoption sein. Mit Neurofeedback können dem Patienten bestimmte Komponenten der eigenen Gehirnaktivität in Echtzeit visualisiert werden. Diese visuellen Reize stellen ein Feedback-Signal dar, welches von den optischen Hirnzentren dekodiert werden kann. Ausgehend von der Visualisierung der Gehirnaktivität, können - je nach Therapieziel - verschiedene Trainingsmodule ansetzen. 

 

 

Funktionsweise Neurofeedback
München-Studie Neurofeedback bei ADHS Bewertung
München-Studie_Ergebnisse


In dieser Studie wurde das Infra-Low-Frequency (ILF) Neurofeedback angewendet, welches das Gehirn insbesondere mit Anteilen seiner Aktivitäten konfrontiert, die im besonders niedrigen Frequenzbereich liegen. Durch die Platzierung der Elektroden auf der Kopfhaut oberhalb bestimmter assoziativer Hirnareale können dem Gehirn bis zu 15 verschiedene Parameter der Aktivität rückgemeldet werden, um die Änderungen seiner inneren Zustände zu spiegeln und die Veränderungsarbeit auf unbewusster Ebene anzustoßen (Wiedemann, 2015). Bereits seit den 80er-Jahren zeigen klinische Studien mit AD(H)S-Patienten, dass sich durch Neurofeedback verschiedene Parameter der Aufmerksamkeit und Impulskontrolle sowie schulische Leistungen signifikant verbessern (Lubar & Lubar, 1985; Kaiser & Othmer, 2000; Sasu & Othmer, 2015). Folgestudien bestätigen zudem eine anhaltende Verbesserung der Aufmerksamkeit und auch der schulischen Leistungen sechs und 24 Monate nach Beendigung der Neurofeedback-Therapie (Gani, Birbaumer & Strehl, 2008; Van Doren et al., 2018). Dass eine Behandlung mit Neurofeedback dauerhafte und vergleichbare Effekte wie die Behandlung mit Stimulanzien wie Methylphenidat (Ritalin) bringt, konnte in neueren Arbeiten nachgewiesen werden (Fuchs et al., 2003.; Monastra et al., 2002; Rossiter, 2004). 

 

Die Studie 


Ziel dieser multizentrischen Beobachtungsstudie war es zu untersuchen, ob ILF Neurofeedback eine therapeutisch relevante Behandlungsoption für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit AD(H)S darstellt. Im Zeitraum von Januar 2015 bis September 2017 wurden 251 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene (7-21 Jahre) mit einer AD(H)S-Diagnose begleitet, die in einem Zeitraum von 15 Wochen etwa 30 Sitzungen Neurofeedback erhielten, was der empfohlenen Frequenz von zwei Sitzungen pro Woche entspricht. Die PatientInnen nahmen jeweils vor und nach der NeurofeedbackTherapie an einem spezifischen Test zur Erfassung verschiedener Parameter der Aufmerksamkeit und Impulskontrolle teil und bewerteten zudem auch die Schwere ihrer Symptome.

Für das ILF-Neurofeedback wurden EEG-NeuroAmp®-Systeme der Firma BEE Medic genutzt. Das angewendete Behandlungsprotokoll entsprach der evidenzbasierten Methode nach Othmer, bei der die Elektrodenplatzierung und Trainingsfrequenzen (<0.1 Hz) individualisiert festgelegt werden (Othmer, 2017). Die Testung der Aufmerksamkeit und Impulskontrolle wurde mit dem ContinuousPerformance-Test (QIKtest) durchgeführt, welcher die Aufmerksamkeit in vier Variablen (Reaktionszeit, Variabilität der Reaktionszeit, Auslassungsfehler und Kommissionsfehler) erfasst.

In die Auswertung wurden die Vorher- und Nachher-Testdaten von n=196 TeilnehmerInnen (21% = weiblich, 79% = männlich, Durchschnittsalter =  12,06). Tabelle 1 zeigt die gemessenen prä-post Werte in den vier Variablen der Aufmerksamkeitstestung sowie (signifikante) Unterschiede. 

Die Auswertungen des Aufmerksamkeitstests zeigt eine signifikante Verbesserung aller vier Parameter nach der Neurofeedback Therapie. Dies lässt darauf schließen, dass jene zu einer verbesserten Selbstregulation des Gehirns beiträgt. Im Schnitt reagierten die PatientInnen schneller, die Variabilität in der Reaktionszeit war geringer und auch die Anzahl der Fehler ging signifikant zurück. Dies zeigt sich insbesondere bei den Commissionsfehlern: die TeilnehmerInnen zeigten also nach der Neurofeedback Therapie signifikant seltener ein impulsives Antwortverhalten. 

97% der PatientInnen berichten außerdem subjektiv von einer Verbesserung von Symptomen nach der Neurofeedback Behandlung. Nur 3% der PatientInnen gaben an, im Vorher-Nachher-Vergleich keine Verbesserung in den Symptomen wahrgenommen zu haben.

 

Besonders starke Veränderungen in der Bewertung zeigen sich bei den Symptomen Hyperaktivität und Unaufmerksamkeit. Diese werden von den PatientInnen nach der Neurofeedback Therapie deutlich weniger schwer bewertet. 

 

Studienergebnisse und Implikationen


Die Ergebnisse legen nahe, dass sich nach etwa 30 Neurofeedback Sitzungen Aufmerksamkeit, Daueraufmerksamkeit und Impulskontrolle der PatientInnen signifikant verbessert hatten. Ebenso konnte die wahrgenommene Stärke der Symptome stark reduziert werden. Der therapeutische Nutzen des ILF Neurofeedback kann basierend auf diesen Ergebnissen als sehr gut bewertet werden. Dies spricht dafür, dass eine ILF-Neurofeedback Therapie bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit AD(H)S ein sinnvoller Therapiebaustein sein kann. Die Rückmeldungen von Seiten der PatientInnen sowie deren Eltern waren durchweg positiv. Auch die behandelnden TherapeutInnen bewerten die Behandlungsmethode sowie die Veränderungen ihrer PatientInnen als sehr positiv. Diese vielversprechenden Ergebnisse motivieren zu weiterer Forschung zu ILF-Neurofeedback in der Behandlung von AD(H)S. Insbesondere solche, die über die Limitation dieser Beobachtungsstudie hinausgehen und beispielsweise interventionellen Charakter haben, eine Kontrollgruppe und weitere validierte Erhebungsinstrumente zu Parametern von Aufmerksamkeit, Impulskontrolle et. - auch als Validitätskriterien- umfassen. Studien, die Neurofeedback vergleichend zu anderen Therapieverfahren und/oder die Langzeitwirkung der Effekte einer Neurofeedback Therapie untersuchen, wären ebenfalls interessant.  Obwohl die Ergebnisse aus der vorliegenden Beobachtungsstudie nur begrenzt generalisierbar sind, so zeigen sie anhand einer recht großen Stichprobe, dass eine subjektive und behaviorale Verbesserung von Symptomen durch die ILF-Neurofeedback Therapie bei Kindern und Jugendlichen mit AD(H)S möglich ist. ILF-Neurofeedback kann dabei als nichtmedikamentöse, nicht-invasive und schmerzfreie Behandlungsoption die Therapiemöglichkeiten bei AD(H)S, bereichern. 

 


Quellen 

Fuchs, T., Birbaumer, N., Lutzenberger, W., Gruzelier, J. H. & Kaiser, J. (2003). Neurofeedback Treatment for AttentionDeficit/Hyperactivity Disorder in Children: A Comparison with Methylphenidate. Applied Psychophysiology and Biofeedback, 28 (1), 1-12.
Gani, C., Birbaumer, N. & Strehl, U. (2008). Long term effects after feedback of slow cortical potentials and of theta-betaamplitudes in chindren with attention-deficit/hyperactivy disorder (ADHD). International Journal of Bioelectromagnetism, 10 (4), 209-232. 
Hammond, D. C. (2019). Integrating Clinical Hypnosis and Neurofeedback. American Journal of Clinical Hypnosis, 61(4), 302- 321. 
Kaiser, D.A. & Othmer, S. (2000). Effect of Neurofeedback on Variables of Attention in a Large Multi-Center Trial. Journal of Neurotherapy, 4 (1), 5-15. 
Lubar, J.O. & Lubar, J.F. (1984). Electroencephalographic Biofeedback of SMR and Beta for Treatment of Attention Deficit Disorders in a Clinical Setting. Biofeedback and Self-Regulation, 9 (1), 1-23. 
Monastra, V. J., Monastra, D. M. & George, S. (2002). The Effects of Stimulant Therapy, EEG Biofeedback and Parenting Style on the Primary Symptoms of Attention-Deficit/Hyperactivity Disorder. Applied Psychophysiology and Biofeedback, 27 (4), 231-249. 
Othmer, S. (2017) Protocol guide ILF HD-module 6th Edition. Woodland Hills CA: EEG Institute.
Rossiter, T. (2004). The Effectiveness of Neurofeedback and Stimulant Drugs in Treating AD/HD. Applied Psychophysiology and Biofeedback, 29 (4), 233-243. 
Sasu, R. & Othmer, S. (2015). Neurofeedback in Application to the ADHD spectrum. In Hanno W. Kirk (Hsg.) Restoring the Brain: Neurofeedback as an Integrative Approach to Health. (S.231-260). Boca Raton, Florida: CRC Press.
Van Doren, J., Arns, M., Heinriich, H., Vollebregt, M. A., Strehl, U. & Loo, S. K. (2018). Sustained Effects of Neurofeedback in ADHD: a Systematic Review and Meta-Analysis. European Child & Adolescent Psychiatry, doi: 10.1007/s00787-018- 1121-4. 
Wiedemann, M. (2015). Infra Low Frequency (ILF-) Neurofeedback. In K.-M. Haus, C. Held, A. Kowalski, A. Krobholz, M. Nowak, E. Schneider, G. Strauß & M. Wiedemann, Praxisbuch für Biofeedback und Neurofeedback (2. Auflage), 91- 115. Berlin, Heidelberg: Springer. 

 

Wie Neurofeedback das Erinnerungsvermögen verbessern kann

18. März 2021

In dem heutigen Blogpost geht es um … ähm… lassen Sie mich nachdenken...Ach ja! Vergesslichkeit. Wir alle kennen das: Termin beim Zahnarzt vergessen, das Auto auf dem Parkplatz suchen müssen und der Geburtstag von Oma war… gestern - vergessen. 

Warum wir Dinge vergessen und wie Neurofeedback das Erinnerungsvermögen verbessern kann, erklären wir in diesem Blogpost. Dabei gehen wir auch auf eine Studie der Universität des Saarlandes ein, in der mit mehrtägigem Neurofeedback Training das Erinnerungsvermögen von Testpersonen langfristig verbessert werden konnte.

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Warum vergessen wir Dinge? 


Die Frage scheint trivial, die Antwort ist es jedoch nicht. Vergessen wird oftmals als Gegenstück zum Erinnern und Fehlleistung des Gehirns wahrgenommen, dabei ist Vergessen eine elementare Hirnleistung. Um uns an verändernde Umweltbedingungen anzupassen, müssen wir Neues lernen, aber eben auch Altes vergessen oder Umlernen. Über den Mechanismus des Vergessen lernen wir, Unwichtiges von Wichtigem zu trennen.

Wir vergessen im übrigen nicht nur nur deklarative Fakten und episodische Inhalte unseres Gedächtnis - beispielsweise Wissen aus der Schulzeit oder Erinnerungen an unseren ersten Geburtstag - besonders bei der Sinneswahrnehmung ist das Löschen von Eindrücken wichtig, um einen funktionierende Wahrnehmung des Hier und Jetzt zu gewährleisten. Es wäre wenig dienlich, wenn wir einen alten Sinneseindruck ewig lang in unserem Sinnessystem speichern - vielmehr erfolgt die Speicherung nur etwa 0,25 Sekunden lang, bis die Information das Gehirn erreicht hat, dann muss der alte Sinneseindruck von einem neuen überschrieben werden, um die zeitgerechte Wahrnehmung der Umwelt und die rechtzeitige Wahrnehmung eventueller Gefahren sicherzustellen.

 

Vergessen “als Spamfilter”


Vergessen ist ein aktiver Prozess, der sich quasi wie ein Spamfilter über unsere Wahrnehmung legt und uns hilft, den Eindruck wahrzunehmen, oder die Erinnerung aufzurufen, die wir brauchen. Das Vergessen unterdrückt dabei den “Spam” in der jeweiligen Situation, also verwandte Eindrücke oder irrelevantes Wissen. Aber- könnte man jetzt einwenden - wir vergessen doch auch Dinge, die wichtig sind, wie zum Beispiel den Zahnarzttermin. Das ist richtig, denn es kann beim Prozess des Vergessen, wie übrigens auch beim Lernen - Stichwort maladaptives Verhalten, Sucht - dazu kommen, dass unserem Spamfilter Fehler unterlaufen und eine wichtige Information nicht richtig eingeordnet wird - vielleicht weil während wir den Zahnarzt Termin ausgemacht haben, zeitgleich ein anderer wichtiger Sinneseindruck (Türklingeln) unser System gestört und so die Speicherung und Trennung von Wichtig und Unwichtig durcheinander gebracht hat. 

 

Das “Synapsensterben” in jungen Jahren

 

Hirnorganisch gibt es für die Wichtigkeit von Vergessen auch ein eindeutiges Korrelat: das sogenannte “Synpasensterben” in der Pubertät: ein Erwachsener verfügt über deutlich weniger Synapsen - neuronale Verbindungen zwischen Nervenzellen - als ein Kind. Das Gehirn “vergisst” in der Entwicklung also bewusst Dinge, bzw. dünnt die Anzahl an Nervenverbindungen aus, um die Verarbeitung effizienter zu machen. Was nicht vernachlässigt werden sollte: das menschliche Gehirn und dessen exekutive Funktionen sind nicht unendlich, sondern in der Kapazität begrenzt - umso wichtiger ist es, die vorhandenen Strukturen und Speicherkapazitäten optimal auszunutzen und jene Dinge zu lernen, zu widerholen und zu erinnern, die für die geltenden Umweltbedingungen adaptiv sind.

Dabei sind ForscherInnen sich jedoch nicht einig, ob wir Gedächtnisinhalte, die wir vergessen wirklich verlieren, oder ob nur der Zugang zu diesen Inhalten erschwert wird. Spannend ist auch, dass wir Erinnerungen bei jedem Abruf verändern können - und dass es Erinnerungen gibt, bei denen dies nicht möglich ist. PatientInnen, die unter einer posttraumatischen Belastungsstörung leiden, können beispielsweise die traumatische Erinnerung, die in ihrem Gedächtnis wie schreibgeschützt gespeichert ist, nicht ohne weiteres verändern - auch der Spamfilter ist hier nicht immer aktiv - ein Trigger oder eine Assoziationen können Flashbacks auslösen, auch weil sich die Erinnerung an das Trauma - nicht zuletzt aufgrund der Beteiligung von Amygdala und Angstgedächtnis - sehr tief in das Gehirn “einbrennt” und Inhalte, die mit der traumatisierenden Situation assoziiert sind, möglichst genau und nachhaltig gespeichert werden. Wie gut man sich erinnern kann, hängt also auch davon ab, wie gut man vergisst. 

 

Neurofeedback und das Erinnerungsvermögen - Theta-Aktivität lässt sich individuell trainieren


Ein Team von Experimentelle NeuropsychologInnen der Universität des Saarlands untersuchte in einer Studie mit 17 Probanden, inwiefern das Erinnerungsvermögen durch ein spezifisches Neurofeedback Training verbessert werden konnte. Unter Anwendung eines eigens entwickelten Neurofeedbacks Protokolls trainierten die Probanden durch visuelle Rückmeldung ihrer Gehirnaktivität, vermehrt Theta Wellen (4-8 Hz) zu produzieren, die durch vorangegangene Forschung mit entspannten Wachzuständen oder Flow-Erleben assoziiert werden. Zeigten die Probanden hohe Theta-Aktivität, nahm die Geschwindigkeit einer Achterbahn, die sie auf dem Bildschirm vor ihnen sahen; ein geringer Anteil von Theate Wellen führte dazu, dass die Achterbahn stillstand. Die Probanden trainierten in insgesamt sieben Sitzungen je 30 min über 11 Tage mit Neurofeedback; die 18 Probanden in der Kontrollgruppe erhielten während der Sitzungen Rückmeldungen über zufällig ausgewählte Frequenzen ihres EEG, eine Art Placebo oder Sham Neurofeedback. 

Während die Trainingsgruppe ab der dritten Sitzung deutlich mehr Theta-Aktivität zeigte (Theta-Zunahme von 10-15% je Proband), war bei der Kontrollgruppe kein Anstieg der Theta-Aktivität feststellbar. Die Autoren schlossen daraus, dass die Probanden mit ihrem Trainingsprotokoll lernen konnten, die Theta-Wellen hochzuregulieren; sich also die eigene Theta-Aktivität durch Neurofeedback-Training individuell trainieren lässt.

 

Erhöhte Ausprägung der Theta-Wellen zeigt Verbesserung der Gedächtnisleistung

 

Anschließend untersuchten die ForscherInnen die Auswirkung der erhöhten Theta-Aktivität auf das langfristige Erinnerungsvermögen. Probanden beider Gruppen lösten an drei verschiedenen Terminen - jeweils einen Tag nach dem ersten NFB Training, einen Tag nach der letzten NFB Sitzung und 13 Tage nach der letzten Sitzung, eine Gedächtnisaufgabe. In der Aufgabe wurde sowohl das Erinnerungsvermögen, als auch der Erinnerungskontext beachtet. Den ProbandInnen wurden 200 Wörter (zu jedem der 3 Testzeitpunkte wurden hier neue Worte gewählt) präsentiert, sie sollten jeweils angeben, ob dies Worte lebendige Objekte beschreiben oder ob sie ihnen angenehm erscheinen. In einem anschließend durchgeführten Gedächtnistest wurden die zuvor gelernten Wörter zusammen mit einigen neuen Wörtern präsentiert. Schätzten die Probanden ein Wort als zuvor gesehen ein, wurden sie gefragt, in welchem Kontext (also mit der Frage nach lebendig oder angenehm) es zuvor präsentiert worden war. 

Probanden, die zuvor das Neurofeedback Training erhalten und so die Ausprägung ihrer Theta-Wellen erhöht hatten, zeigten eine klare Verbesserung ihrer Gedächtnisleistung. Nach dem Neurofeedback Training konnten sie  mehr Worte wiedererkennen und dem richtigen Kontext zuordnen. Diese Verbesserung war nicht nur kurzfristiger Natur: auch bei Wiederholung des Tests 13 Tage nach der letzten Neurofeedback Sitzung konnte eine langfristige Verbesserung des Erinnerungsvermögens und des Erinnerungskontexts, registriert werden. Die individuelle Verbesserung in dem Gedächtnistest hing dabei mit der individuellen Zunahme der Theta-Aktivität im Neurofeedback Training zusammen. 


Zu beiden Testzeitpunkten nach dem Neurofeedback Training, insbesondere aber bei Testung 13 Tage nach der letzten Sitzung, erzielten Probanden der Trainingsgruppe absolut gesehen bessere Ergebnisse als Probanden der Kontrollgruppe, während die Ergebnisse im Pre-Test vergleichbar waren. Ein weiteres Indiz dafür, das bessere Erinnerungsvermögen der Trainingsgruppe auf die Effekte des Neurofeedback Trainings zurückzuführen. Diese Forschungsarbeit wurde mit jungen und gesunden Probanden durchgeführt, bildet jedoch die Grundlage, um zukünftig die Verbesserung des Erinnerungsvermögen durch Neurofeedback - möglicherweise auch mit anderen Verfahren als dem Theta-Frequenztraining-  an PatientInnen mit pathologischen Erinnerungsleistungen und Problemen mit dem Gedächtnis zu untersuchen. 


In jedem Fall legen die Ergebnisse nahe, die Möglichkeiten von Neurofeedback Training zur Verbesserung des Erinnerungsvermögens weiter zu untersuchen. Auch in aktuelle Behandlungen kann - bei entsprechend vorliegender Symptomatik - die Verbesserung des Erinnerungsvermögens als Behandlungsziel eingehen. 


Literatur: 
Studie:  Eschmann, K. C., Bader, R., & Mecklinger, A. (2020). Improving episodic memory: Frontal-midline theta neurofeedback training increases source memory performance. NeuroImage, 222, 117219. 

 

Wenn Sie noch mehr darüber erfahren möchten, warum wir vergessen, empfehlen wir Ihnen diesen Artikel von Spektrum.de

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Interview mit Gernoth Wührer - Die Bedeutung der Sprache für die menschliche Entwicklung

09. Februar 2021

“Die Bedeutung der Sprache für die menschliche Entwicklung kann gar nicht genug betont werden. Erst die Sprache, mit ihrer ungeheuren Flexibilität und ihrem Bedeutungsreichtum, hat uns in die Lage versetzt, uns untereinander zu verständigen.” (Harari, 2013). 

Sprache ist ein elementarer Bestandteil in der kindlichen Entwicklung. Bei sogenannten Sprachentwicklungsstörungen sind die Kommunikation, das Sprachverständnis, der Wortschatz und die Sprachbildung - oder gleich mehrere dieser Bereiche betroffen. 

Diplom-Psychologe Gernot Wührer behandelt in seiner Praxis in München unter anderem Patientinnen und Patienten mit Sprachentwicklungsstörungen. In diesem Interview berichtet er, wie Neurofeedback helfen kann. 

 

Gernot, wie ist es dazu gekommen, dass du dich mit Sprachentwicklungsstörungen beschäftigst? 

Ich kooperiere mit einer Logopädin, welche vor allem mit Kindern aus dem Autismus-Spektrum arbeitet sowie Kindern mit Migrationshintergrund, welche die deutsche Sprache oft erst im Kindergarten richtig lernen. Diese Kollegin integriert Neurofeedback schon länger zusätzlich zur Logopädie in die Behandlung ihrer Patienten. Logopädie kann für die Kinder sehr fordernd sein und ihnen viel abverlangen - besonders, wenn die Sprachstörung von Problemen der Aufmerksamkeit, Konzentration und Impulsivität begleitet wird. 

Wir erleben, dass Kinder mit Motivationsproblemen sowie Kinder aus dem Spektrum durch Neurofeedback in ihren kognitiv-emotionalen Fähigkeiten gestärkt werden. So erreichen sie auch schneller Fortschritte in der Logopädie. Die Kinder sind motivierter, konzentrierter und können in der Therapie besser mitarbeiten - in einzelnen Fällen haben Kinder durch die Kombination aus Neurofeedback und Logopädie bis zu einem Jahr weniger Therapie benötigt und auch große Entwicklungsrückstände schnell aufgeholt.  

 

Sprachentwicklungsstörungen sind ein großes Feld. Ist Neurofeedback bei allen gleichermaßen indiziert? 

In der Regel sind es die komplexen Fälle und Verläufe, bei denen wir zusätzlich  Neurofeedback empfehlen, beispielsweise wenn neben Sprachfehlern auch das Verständnis von oder das Verhältnis zu Sprache betroffen ist. Generell ist Neurofeedback aber ein Gehirntraining, das dazu beiträgt, die Flexibilität und die Leistungsfähigkeit der Kinder zu verbessern - davon können alle profitieren. 

Die Kinder in meiner Praxis sind meist im Kindergartenalter. Hier fällt eine nicht-altersgerechte Sprachentwicklung in der Regel erstmals deutlich auf, aber ich arbeite auch mit Schulkindern, Jugendlichen und Erwachsenen, besonders mit Erkrankungen des Autismus-Spektrums. Die Probleme, die ich in der Praxis beobachte, reichen von systematischen grammatikalischen Fehlern über das Fehlen komplexer Sätze bis zu Problemen mit dem Sprachinhalt. Bei Kindern mit Autismus kann es auch vorkommen, dass diese nur eingeschränkt kommunizieren, gar nicht sprechen oder nur Laute bilden können. 

 


Was kann Neurofeedback in der Therapie von Sprachentwicklungsstörungen leisten? Wie trägt es zu einer Verbesserung bei? 

Neurofeedback wirkt sich, als begleitende Therapie zur Logopädie, bei Sprachentwicklungsstörungen auf mindestens drei Arten positiv aus. 

Zunächst stärkt es die kognitiv-emotionalen Voraussetzungen und verbessert Parameter wie Aufmerksamkeit und Konzentration auf implizite und spielerische Weise. Kindern, die begleitend Neurofeedback trainieren, fallen beispielsweise die Arbeitsphasen in der Logopädie leichter. Sie können länger konzentriert arbeiten, geben nicht mehr so schnell auf und haben auch zunehmend Spaß daran, weil sie nicht nur negative Erfahrungen mit Sprachen machen, sondern in ihren Fähigkeiten zunehmend gestärkt werden. Das würde ich als unspezifische Effekte von Neurofeedback bezeichnen. 

Dazu kommen die positiven Effekte, die Neurofeedback auf den Alltag der Kinder hat. Das Familienleben beruhigt sich oft ein wenig, denn auch die Eltern bemerken schnell Verhaltensänderungen bei den Kindern - das kann von besserem Schlaf bis hin zu längerem selbstständigem Spiel und weniger Bettnässen führen. Das entlastet auch die Eltern und hebt die Lebensqualität aller Betroffenen.

Drittens hat Neurofeedback auch spezifische Effekte auf die Sprache: für mich ist es ein großer Erfolg, wenn die Kinder im Verlauf der Therapie aus eigener Motivation damit beginnen, längere Sätze zu bilden, auch von sich aus etwas erzählen oder ein Gespräch beginnen. Ich bemerke auch eine zunehmende Verbalität, einen vergrößerten Wortschatz oder differenzierte Lautbildung. Insbesondere wenn man beim Neurofeedback spezifische Elektrodenpositionierung für Sprache wählt und dort trainiert, werden solche Ergebnisse deutlich, während die anderen beiden unspezifischen Effekte sich oft auch schon in den typischen Anfangspositionen zeigen, insbesondere bei interhemisphärischem Training. 

 

Wie sind deine Erfahrungen mit Neurofeedback bei Sprachentwicklungsstörungen und welche Rückmeldungen erhältst du von Patienten und Eltern? 

Die Kinder nehmen Neurofeedback oft als eine “einfache” Therapie wahr - sie dürfen zu mir kommen und haben anders als in der Logopädie keinen expliziten Druck zu sprechen, sondern dürfen einen Film schauen und dabei ihr Gehirn trainieren - das ist ein hilfreiches Setting für Kinder, die negative Erfahrung mit Sprache gemacht haben. 

Ich bin davon überzeugt, dass diese vor allem auch von dem interdisziplinären Ansatz profitieren, wenn Neurofeedback begleitend zur Logopädie gemacht wird - und die Therapeutinnen und Therapeuten profitieren von einer besseren Anamnese und einer genauen Beobachtung. Viele Eltern, die ihre Kinder zu mir zum Neurofeedback bringen, bezahlen diese Behandlung selbst - aber sie sehen rasch Fortschritte und investieren so gerne in die Entwicklung und Sprache ihrer Kinder. Außerdem sind sie meist dankbar, dass sie eine Therapieoption gefunden haben, die ohne Medikamente und damit in der Regel auch ohne Nebenwirkungen auskommt. 

 

Was ist besonders wichtig für den Einsatz von Neurofeedback bei Sprachentwicklungsstörungen? 

Zentral ist für mich die gute und fundierte Ausbildung als Neurofeedback-Therapeut*in. Die Behandlung von Sprachentwicklungsstörungen geht weit über die Basispositionen im Neurofeedback hinaus. Oft muss die Feinjustierung von Elektrodenpositionen erfolgen und klinisch beurteilt werden, welches Symptom und welche Position zuerst behandelt werden sollen. Hierfür sollten Therapeut*innen schon Neurofeedback-Erfahrung mitbringen. Darüber hinaus ist die genaue Beobachtung der Patient*innen essenziell - insbesondere, wenn diese sich nicht verbal mitteilen können, müssen Anzeichen von Über- und Unteraktivierung schnell erkannt und die Trainingsfrequenz angepasst werden. Aus meiner Erfahrungen reagieren aber gerade junge Kinder schon in der Sitzung sehr sensibel und eindeutig auf Frequenzänderungen - für Veränderung zwischen den Sitzungen ist der Dialog mit den Eltern und anderen behandelnden Therapeutinnen und Therapeuten unerlässlich! 

 

Wem empfiehlst du die Teilnahme an deinem Webinar? Und was können deine Teilnehmerinnen und Teilnehmer erwarten? 

Insbesondere Sprachtherapeutinnen und -therapeuten, Logopädinnen und Logopäden können von dem Webinar profitieren. Ich finde es aber wichtig, auch andere Berufsgruppen anzusprechen, die vermehrt mit Kindern mit Sprachentwicklungsstörungen zu tun haben, wie Ärzt*innen, Ergotherapeut*innen, Psycholog*innen und Psychotherapeut*innen. Das Wissen über die Therapiemöglichkeiten kann dabei helfen, die Betroffenen und ihre Eltern besser zu beraten und die optimale Versorgung zu entwickeln. 

Ich möchte alle dazu einladen, die sich von diesem Thema angesprochen fühlen. Ich werde in dem Webinar über meine persönlichen Erfahrungen, die klinischen Hintergründe und die Einzelheiten von Neurofeedback sprechen und freue mich auf interessierte Teilnehmerinnen und Teilnehmer, Fragen und Diskussionen. 

 

Mehr über Gernot Wührer erfahren Sie in seinem Dozentenprofil.

 

Die Weiterentwicklung der Othmer-Methode - Neurofeedback in seiner modernsten Form

03. Februar 2021

Der folgende Text ist ein kurzer Auszug aus dem Whitepaper "Die Entwicklung der Othmer Methode - Neurofeedback in seiner modernsten Form".

Autorin: Kirsten Segler
Fachliche Unterstützung und Mitarbeit: PD Dr. rer. nat. Meike Wiedemann, Svenja Reiniger M.A.

Es handelt sich um einen urheberrechtlich geschützten Text. Sie finden den gesamten Text am Ende dieses Artikels als pdf Datei und können diesen gerne für die eigene Lektüre herunterladen. Eine Vervielfältigung, Verlinkung oder anderweitige Nutzung des Textes oder einzelner Textbausteine ist nicht möglich.

Die Entwicklung der Othmer-Methode
Neurofeedback in seiner modernsten Form
Seit seiner Entdeckung in den 1960er-Jahren hat sich Neurofeedback sehr stark weiterentwickelt, wobei ganz neue Formen entstanden sind und zugleich auch die Zahl der Anwendungsmöglichkeiten gestiegen ist. Von herausragender Bedeutung ist das sogenann-te ILF-Neurofeedback das oft auch Othmer-Methode genannt wird, weil seine Entwicklung von dem amerikanischen Wissenschaftlerpaar Siegfried und Susan Othmer eingeleitet wurde und seit Jahrzehnten entscheidend geprägt wird. Der folgende Artikel beschreibt den Ursprung der Methode im klassischen Beta/SMR-Neurofeedback, ihre Veränderung zu einem wirkungsvollen, individuellen Neurofeedback-Ansatz und wie diese Entwicklung systematisch durch das Engagement der Othmers vorangetrieben wurde.

 

 

Die Geburtsstunde des Neurofeedbacks

 

Bevor die Möglichkeiten des Neurofeedbacks entdeckt wurden, war die Ableitung von Hirnwellen über das EEG ein rein diagnostisches Werkzeug. Der amerikanische Psychologe Barry Sterman nutzte sie, um an Katzen die Aktivität des Gehirns in verschiedenen Schlafphasen zu untersuchen. Irgendwann fiel ihm ein besonderer Rhythmus im EEG der Versuchstiere auf. Dieser lag im Frequenzbereich von 12 bis 15 Hertz und ähnelte den „Schlafspindeln“, die typischerweise während des Einschlummerns auftauchen. Sie zeigen dann, dass sich das Gehirn von den meisten Außenreizen abschottet, um den Schlaf zu stabilisieren und in tiefere Stadien gelangen zu können. Doch Stermans Katzen schliefen nicht. Sie lagen zwar ruhig und entspannt da, waren aber hellwach und aufmerksam.

Sterman nannte das entdeckte Frequenzmuster „Sensomotorischer Rhythmus“ (kurz SMR) – nach dem Bereich auf der Hirnrinde, an dem er es mit den Elektroden ableiten konnte. Dann probierte er aus, ob die Katzen mit einem der operanten Konditionierung folgenden Training dazu gebracht werden könnten, das Muster häufiger zu produzieren. Wann immer es im EEG auftauchte, bekamen die Tiere Futter aus einem Automaten. Das Vorhaben gelang tatsächlich: Die Häufigkeit des SMR erhöhte sich und auch der damit einhergehende Zustand von entspannter Wachheit. Dies war das erste Mal, das Hirnwellen genutzt wurden, um das Verhalten eines Lebewesens gezielt zu beeinflussen.

Doch zunächst ahnte niemand, dass diese Entdeckung auch einen therapeutischen Nutzen haben könnte. Dieser zeige sich bald darauf durch einen Zufall. Barry Sterman erforschte damals im Auftrag der NASA die Wirkung einer in Raketentreibstoff vorkommenden Substanz an seinen Katzen. Fast alle erlitten etwa eine Stunde, nachdem sie einer gewissen Dosis der Chemikalie ausgesetzt waren, einen epileptischen Anfall – nur eine Gruppe der Versuchstiere reagierte anders. Sie bekamen entweder gar keine Anfälle oder deutlich zeitverzögert. Es waren die Tiere, deren Gehirne zuvor darauf trainiert worden waren, mehr SMR-Rhythmen zu produzieren. Eine Mitarbeiterin in Stermans Labor war von diesem Ergebnis besonders fasziniert, weil sie selbst an Epilepsie litt und nicht auf Medikamente ansprach. Sie ließ sich auf das Experiment ein, ihr Gehirn mit belohnenden Rückmeldungen auf die gewünschte EEG-Aktivität zu trainieren und lernte ebenfalls, öfter in den SMR-Zustand zu kommen. Und tatsächlich konnte sie dadurch die Zahl ihrer Anfälle deutlich reduzieren. Dieser Selbstversuch gilt als die Geburtsstunde des klinischen Neurofeedbacks.

Nach dem erfolgreichen Versuch mit Stermans Mitarbeiterin wurden weitere an Epilepsie leidende Probanden mit dem damals revolutionären Verfahren behandelt. Dabei fielen noch mehr positive Wirkungen auf: Schlafprobleme verschwanden, und hibbelige oder sogar hyperaktive Versuchspersonen wurden ruhiger und konnten sich besser konzentrieren. So wurden Schlafstörungen und ADHS zu weiteren wichtigen Indikationen für Neurofeedback. Ein Pionier der frühen Forschungen in diesem Bereich war Joel Lubar, ein Mitarbeiter aus Stermans Labor.

 


Das Frequenzband-Training

 

Das von Barry Sterman entdeckte Verfahren zählt zu dem, was heute (klassisches) Frequenzband-Training genannt wird. Die im EEG erkennbaren Hirnwellen sind in sechs Gruppen zusammengefasst, den Frequenzbändern. Eines davon ist Stermans SMR, daneben gibt es fünf weitere, die mit griechischen Buchstaben bezeichnet werden. An der aktuellen Mischung dieser Wellen im EEG und ihrer jeweiligen Intensität lässt sich der Erregungszustand (Vigilanz) des Gehirns abschätzen.

Die ersten Neurofeedback-Anwendungen stellten zunächst ein reines SMR-Training dar, bald jedoch schon ein Beta/SMR-Training. Dabei übte der Proband, im EEG den Anteil an Frequenzen zu senken, die mit innerem Abschweifen (Theta) und Unruhe (High-Beta) verbunden sind, und dafür mehr SMR- und (Low)-Beta-Frequenzen erscheinen zu lassen und diese zudem mit höheren Amplituden.

Das Ziel: in einen entspannt-aufmerksamen Zustand zu kommen, diesen zu halten und zu vertiefen. Die belohnenden Rückmeldungen für die Klienten (Rewards) bestanden anfangs vor allem in angenehmen Tönen oder dem Erscheinen eines positiven Symbols, sobald Schwellenwerte überschritten wurden. Falls die Amplituden der unerwünschten Frequenzen anstiegen, wurde die Belohnung entzogen oder es erklang sogar ein unangenehmer Warnton (Inhibits).

Das frühe Frequenzband-Training war also ein präskriptives Verfahren. Das heißt: Welche Frequenzen als wünschenswert galten oder nicht, war aufgrund theoretischer Überlegungen vorher festgelegt. Das ist etwa so, als ob die Geräte im Fitnessstudio für jeden gleich eingestellt wären. Das gilt auch für das SCP-Training, eine andere Form des Neurofeedbacks, die vor allem an deutschen Universitäten parallel zum Frequenzband-Training entwickelt wurde und mit gutem Erfolg vor allem zur Behandlung von Epilepsie und ADHS eingesetzt wird. Zumindest vom derzeit geltenden Erklärungsmodell her handelt es sich dabei ebenfalls ein präskriptives Verfahren.

 

Die Entwicklung der Othmer-Methode 

 

Die Arbeit mit den Frequenzbändern fußte als präskriptives Verfahren also auf der Annahme, dass sich für das Training der kognitiven Fähigkeiten klar zwischen erwünschten und unerwünschten Hirnwellen unterscheiden lässt. Dass solche statischen Bewertungen dem Gehirn jedoch in keiner Weise gerecht werden, ahnte kaum jemand, weil das Wissen um die Neuroplastizität noch nicht existierte. Es gab zunächst auch wenig Anlass, an den theoretischen Überlegungen zu zweifeln, schließlich ließen sich mit dem Beta/SMR-Training beeindruckende Erfolge erzielen.

Auch Dr. Siegfried Othmer und seine Frau Susan waren von der Methode begeistert, als sie durch die Behandlung ihres Sohnes damit in Kontakt kamen. Als Neurowissenschaftlerin interessierte sich Susan Othmer sofort auch beruflich für Neurofeedback – und ihr Mann Siegfried Othmer sollte als Physiker zur idealen Ergänzung werden, um Lösungen für die technischen Anforderungen zu entwickeln. Gemeinsam gründeten sie Mitte der 80er-Jahre in Los Angeles ein Entwicklungsinstitut für Neurofeedback (EEG Spectrum Inc.), später kam eine Klinik hinzu und der Name wurde in EEG-Institute geändert.

Dort arbeitete Susan Othmer zunächst ebenfalls mit dem Beta/SMR-Training, entwickelte jedoch gemeinsam mit ihrem Mann schon bald die erste Innovation des Verfahrens. Diese bestand darin, nicht mehr ausschließlich das Überschreiten von Schwellenwerten zu belohnen, sondern mit der Dynamik des Reward-Frequenzbandes zu arbeiten. Das heißt: Die Klienten erhielten die Rückmeldung ihrer Gehirnaktivität jetzt als Animation, in der sich ein Balken auf und ab bewegte – je nachdem, wie groß der Anteil an Beta/SMR-Frequenzen in ihrem Hirnwellen-Mix gerade war.

Diese Entwicklung war durch die Fortschritte in der Computertechnik möglich geworden, welche die EEG-Signale zudem immer mehr in „Echtzeit“ widerspiegeln konnten – praktisch ohne Verzögerung. Indem die Dynamik des Reward-Frequenzbandes als Feedbacksignal genutzt wurde, war die Methode schon in diesem frühen Stadium kein Verfahren mehr, das ausschließlich dem Modell der operanten Konditionierung folgte – und mit jeder neuen Entwicklung sollte es sich noch weiter von diesem Erklärungsmodell entfernen.

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Hier können Sie das Whitepaper "Die Entwicklung der Othmer-Methode - Neurofeedback in seiner modernsten Form" herunterladen.

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