Ein Interview mit dem Ergotherapeuten und zertifizierten Neurofeedback-Therapeuten Thomas Theis.
BEE Medic: Guten Tag, Herr Theis. Wir sind Ihnen dankbar, dass Sie sich heute die Zeit für ein Gespräch genommen haben. Könnten Sie sich bitte kurz vorstellen und erläutern, was Ihre berufliche Tätigkeit umfasst?
Thomas Theis: Selbstverständlich, und ich danke Ihnen für die Einladung zu diesem Interview. Mein Name ist Thomas Theis. Seit dem Jahr 1999 bin ich als staatlich geprüfter Ergotherapeut tätig. Im Jahr 2005 eröffnete ich meine eigene Praxis in Kassel und 2014 eine weitere in Vellmar, Nordhessen. Unser Team besteht derzeit aus 25 Mitarbeitenden. Neben den traditionellen ergotherapeutischen Behandlungsfeldern wie Neurologie, Pädiatrie, Psychiatrie und Orthopädie haben wir uns auch auf weitere spezialisierte Gebiete wie die leitlinienkonforme, zertifizierte Handtherapie und die Bowen-Therapie fokussiert. Ein weiterer signifikanter Schwerpunkt unserer Tätigkeit liegt in der Anwendung von ILF-Neurofeedback, ein Gebiet, in dem wir über tiefgreifende Expertise verfügen. Meine Auseinandersetzung mit diesem Thema begann vor beinahe einem Jahrzehnt, und meine formelle Ausbildung startete ich im Jahr 2015. Kurz darauf begannen auch Teammitglieder mit entsprechenden Fortbildungen, und bis 2017 hatte ich meine Zertifizierung als Neurofeedbacktherapeut nach Othmer abgeschlossen. Seitdem bin ich Mitglied des europäischen Dozententeams, halte Vorträge und biete Schulungen auf verschiedenen Ebenen, wie in Grund- , Fortgeschrittenen und Fachspezifischen Kursen an. In unseren Praxen sind neun Neurofeedback-Systeme in Betrieb, die beträchtliche Erfolge und Effektivität zeigen. Als offizieller Supervisor betreue ich Kolleginnen und Kollegen sowohl im eigenen Team als auch im Netzwerk der ILF-Therapeutinnen und -Therapeuten hier, und im deutschsprachigen Ausland.
BEE Medic: Sie haben erwähnt, dass Neurofeedback ein Teil Ihres therapeutischen Angebots ist. Können Sie erläutern, was man unter Neurofeedback versteht?
Thomas Theis: Mit Vergnügen. Neurofeedback ist eine spezifische Form des Biofeedbacks. Beim Biofeedback werden körperliche Parameter wie Puls, Herzratenvariabilität oder Hautleitfähigkeit rückgemeldet. Im Bereich des Neurofeedbacks nutzen wir die Elektroenzephalographie (EEG). Hierbei kommt es zur Messung und Rückmeldung von Veränderungen bestimmter Gehirnaktivitäten. In unserer Praxis verwenden wir speziell das ILF-Neurofeedback, eine Methode, entwickelt von Sue und Siegfried Othmer und technisch weiterentwickelt seit 2004 durch Dr.-Ing. Bernhard Wandernoth und sein Team. ILF steht für 'Infra Low Frequency', also sehr niedrige Frequenzen.
Dieser Ansatz beinhaltet die Platzierung von Elektroden an spezifischen Kopfpositionen entsprechend evaluierter Dysregulationen, die aus der Anamnese hervorgehen. Drei bis fünf Elektroden reichen aus, um die Gehirnströme zu messen. Die kontinuierlich erfassten Daten werden am Computer analysiert, und spezielle Filter extrahieren relevante Merkmale, die dann auf einem Bildschirm visualisiert werden. Dies ermöglicht eine nahezu verzögerungsfreie Darstellung der sich kontinuierlich verändernden Hirnaktivität. Es kommt zu einem Erkennen und Interagieren des Gehirns mit seiner eigenen Aktivität, das Gehirn erkennt sich wie in einem Spiegelbild. Gehirne sind sich selbst regulierende Systeme. Die Art und Weise der Hirnaktivität ist abhängig von der Anforderungssituation. Neurofeedback ist daher nicht nur für Gesunde zur Leistungssteigerung, sondern auch für Patientinnen und Patienten mit Erkrankungen wie Depressionen, Aufmerksamkeitsdefiziten oder posttraumatischen Belastungsstörungen ein integraler Bestandteil eines umfassenden Behandlungskonzepts.
BEE Medic: Nachdem Sie uns ausführlich über Neurofeedback informiert haben, könnten Sie erläutern, wie Sie Neurofeedback spezifisch in Ihrer Praxis anwenden?
Thomas Theis: Selbstverständlich. In unserer Praxis stellt die Neurofeedback-Therapie einen zentralen Baustein unseres therapeutischen Portfolios dar. Wir integrieren diese Methode häufig in Kombination mit anderen therapeutischen Ansätzen, insbesondere im psychiatrischen und pädiatrischen Bereich, um die Konzentrationsfähigkeit und Impulskontrolle bei Kindern zu fördern. Parallel dazu erfolgt eine verhaltenstherapeutisch orientierte Arbeit mit den Eltern. Neurofeedback ist daher ein fundamentaler Bestandteil unserer täglichen therapeutischen Praxis bei einer Vielzahl von klinischen Bildern.
BEE Medic: Können Sie spezifizieren, bei welchen Patientengruppen Sie Neurofeedback einsetzen und bei welchen möglicherweise nicht?
Thomas Theis: In der Ergotherapie werden spezifische Therapien gezielt verordnet. Neurofeedback wird angewendet, wenn die Selbstregulation des zentralen oder autonomen Nervensystems beeinträchtigt ist. Typische Indikationen umfassen Aufmerksamkeitsdefizite bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, mit oder ohne Hyperaktivität, sowie Selbstregulationsstörungen wie Epilepsie, Migräne, Panikattacken und posttraumatische Belastungsstörungen. Besonders im Kontext von Traumata ist die Unterstützung durch spezialisierte Trauma Therapeuten essentiell. Wir legen großen Wert auf interdisziplinäre Zusammenarbeit. Die Entscheidung, ob Neurofeedback Teil des Therapieplans wird, erfolgt im Erstgespräch und basiert auf einer sorgfältigen Anamnese.
BEE Medic: Welche Erfahrungen haben Sie bislang mit Neurofeedback gemacht?
Thomas Theis: Die Ergebnisse sind durchweg positiv. Eine interne Evaluation im Jahr 2019 zeigte, dass sich die Symptome der Patienten, die Neurofeedback nutzen, im Durchschnitt um etwa 50 Prozent verbesserten, was statistisch hochsignifikant ist. Wir beobachten auch Verbesserungen in der Impulskontrolle und eine erhöhte Reaktionsgeschwindigkeit. Das Interesse innerhalb des Teams ist groß; viele haben entsprechende Fortbildungen absolviert, und wir profitieren kontinuierlich von gegenseitigem Austausch. Die Effektivität von Neurofeedback finde ich persönlich sehr beeindruckend.
BEE Medic: Wie kann Neurofeedback in verschiedene ergotherapeutische Ansätze integriert werden?
Thomas Theis: Neurofeedback kann beispielsweise im Rahmen der Handtherapie zur Modulation einer überschießenden Reaktion des autonomen Nervensystems eingesetzt werden, speziell bei Morbus Sudeck, welche auch sympathischer Reflexdystrophie. In der Traumatherapie unterstützt es in Zusammenarbeit mit der Psychotherapeutischen Traumatherapie die Wiedererlangung von Ruhezuständen, und in der Kinder- und Jugendpsychiatrie lässt es sich effektiv mit Gruppentherapien oder speziellen wie Trainingsprogrammen wie MKT, THOP, Attentioner kombinieren. Neurofeedback ist ein flexibles Instrument, das in der therapeutischen Praxis zur Optimierung der Behandlungsergebnisse beiträgt.
BEE Medic: Was berichten Ihre Patienten über ihre Erfahrungen mit Neurofeedback?
Thomas Theis: Die Rückmeldungen sind zum allergrößten Teil sehr positiv. Aktuell finalisiere ich mit dem wissenschaftlichen Team von BEE Medic eine retrospektive Studie, mit weit über 300 Datensätzen. Die Effektstärken sind bemerkenswert. Patienten erinnern sich oft auch Jahre später noch an die Therapie und äußern ihre Dankbarkeit. Nur ein sehr kleiner Teil der Patienten reagiert nicht oder nur schwach auf die Behandlung, in solchen Fällen suchen wir nach alternativen Ansätzen. Die Begeisterung für Neurofeedback ist auch bei Kindern groß; sie freuen sich auf jede Sitzung und möchten oft nicht, dass diese endet.
BEE Medic: Sehen Sie als Therapeut persönliche Vorteile durch das Neurofeedback-Training?
Thomas Theis: Absolut, ich schätze die wissenschaftliche Methodik und die Möglichkeit, physiologische Prozesse zu optimieren. Die Arbeit mit Neurofeedback bietet eine neue Dimension der Ergotherapie, die analytisch, kombinierbar und zugleich äußerst effektiv ist. Es bereichert meine therapeutische Praxis erheblich und sorgt für große Begeisterung sowohl bei den Patienten als auch im therapeutischen Team.
BEE Medic: Vielen Dank, Herr Theis, für Ihre Zeit und die tiefgreifenden Einblicke in Ihre Arbeit mit Neurofeedback.
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